Geschäft mit Sportartikeln:Münchens Höhenrausch

Lesezeit: 3 min

Der neue Sport Scheck in der Neuhauserstraße in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Nirgendwo in Deutschland geben die Menschen so viel Geld für Sportartikel aus wie in München. Nun kommt mit dem neuen Sport Scheck ein alteingesessenes Sportgeschäft in die Stadt zurück. Der Erfolg der Branche liegt nicht nur an der Kaufkraft der Bewohner.

Von Florian Fuchs

Vielleicht muss man die alten Kataloge des Sporthauses Schuster zur Hand nehmen, um den Wandel in der Fußgängerzone zu begreifen. 100 Jahre ist der Laden in der Rosenstraße nun alt, auf den Titelbildern der ersten Kataloge sind Berge zu sehen, später gemalte Alpinsportler. Erst in den Sechzigerjahren kam der Wandel: Zunächst knallte dem Kunden Sportmode entgegen, dann sollte Werbung mit aufkommenden Sportarten wie Tennis oder Golf Publikum locken. Seit gut zehn Jahren aber sind die Alpinisten wieder auf dem Vormarsch. Der neueste Katalog 2013/2014 zeigt einen Extremskifahrer, der sich mit den Brettern auf dem Rücken und extrem funktionell ausgerüstet an einer mächtig steilen Felswand abseilt.

"Ein Hauch von Abenteuer", so bezeichnen es Marktforscher, wehe inzwischen durch die Fußgängerzonen der großen deutschen Städte, weil immer mehr Outdoor-Läden neue Filialen und sogenannte Flagshipstores eröffnen. In München ist das Abenteuer zwischen Isartor, Sendlinger Tor und Stachus besonders ausgeprägt: Mit Globetrotter, Sport Schuster, und dem neuen, riesigen Sport-Scheck buhlen gleich drei große Kaufhäuser um Sportbegeisterte - oder um solche, die sich zumindest gerne wie echte Bergsteiger kleiden. Mit Karstadt Sport ist in der Innenstadt noch ein großer Konkurrent im Spiel, der aber vor allem auf klassische Sportartikel setzt - genauso wie Sport Bittl, dessen Zentrale aber weit draußen in Allach steht. Und in der Nähe der großen Häuser eröffnen viele Outdoor-Marken wie The North Face oder Jack Wolfskin ihre eigenen, kleinen Filialen. Während die Geschäftszahlen zeigen, dass die Branche langsam übersättigt ist, bescheinigen Analysten dem Münchner Markt trotz der Vielzahl an Läden weiter Wachstumschancen. Ein Grund ist die hohe Kaufkraft hier. "München ist in einer besonderen Situation", sagt Stefan Kellermann vom Beratungsunternehmen für Stadtmarketing Cima, das zum Landesverband des Einzelhandels gehört.

Das Marktforschungsinstitut Marketmedia24 hat in einer aktuellen Studie die Outdoor-Branche unter die Lupe genommen. Demnach gaben die Deutschen im vergangenen Jahr pro Kopf exakt 21,40 Euro für Outdoor-Artikel wie Softshell-Jacken und Trekkingschuhe aus. 2010 waren es noch 21,90 Euro gewesen. Man nennt so etwas wohl Jammern auf hohem Niveau, tatsächlich aber sind die Zahlen nicht mehr mit den beeindruckenden Ergebnissen des Zeitraums 2006 bis 2010 zu vergleichen, als das Marktvolumen um 36,3 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro anstieg. Auch in der klassischen Sportartikelbranche, also etwa bei den Tennisschlägern und den Fußballschuhen, sind die Wachstumszahlen moderat. Für München aber gilt das alles nur bedingt. Die Bewohner des Freistaats gaben im Jahr 2012 für Sportartikel neun Euro mehr aus als der Durchschnitt der restlichen Bürger. Und in München selbst liegt die Kaufkraft noch einmal um zehn Prozent höher als in allen anderen Städten, weiß Kellermann.

Die Gründe für den Erfolg der Outdoor-Branche und der Sportartikelhändler in der Stadt sind eigentlich simpel. Zum einen wird die Trennung zwischen Sport- und modischer Kleidung immer unschärfer, wie Kellermann sagt. Das hat Outdoor-Marken alltagstauglich und für das Massenpublikum interessant gemacht. Und dann hat München neben seinen zahlungswilligen Bürgern einen zweiten Standortvorteil: Die Nähe zu den Alpen und der Natur fördert den Absatz deutlich mehr als etwa in Berlin. Flori Schuster, Chef des Familienunternehmens in der Rosenstraße, hat seine Münchner Kunden einmal klar umrissen. An Feierabenden, sagte er, hielten sie sich mit Laufen, Fitness-Studio oder Yoga fit, damit sie am Wochenende klettern oder Skitouren gehen könnten. Für ein Sporthaus wie Schuster oder Scheck, die viele Interessen bedienen wollen, sind solche Kunden natürlich doppelt wertvoll.

Während die Vertreter von Karstadt Sport, den soeben der österreichische Investor René Benko gekauft hat, Fragen zur Konkurrenz verweigern, sieht Jens Holst den Wettbewerb in der Stadt positiv. "Die großen Häuser befruchten sich gegenseitig, auch mit dem neuen Sport-Scheck", sagt der Filialleiter des Globetrotter am Isartor. Eine Million Kunden hat sein Haus im Jahr, etwa 300 000 davon kommen von außerhalb. "Die fahren nicht nach München, weil sie nur zu uns wollen. Sondern weil sie hier eine große Auswahl haben. Und dann kauft ein Kunde halt seinen Rucksack bei uns, aber seinen Ski vielleicht bei Schuster oder Scheck." Clusterbildung nennt man so etwas in der Fachsprache, von der auch sogenannte Monoläden wie Mammut oder Timberland etwas abhaben wollen. Guido Kleinschmidt, geschäftsführender Gesellschafter des auf Einzelhandelsobjekte spezialisierten Immobiliendienstleisters Lührmann, prophezeit deshalb, dass deutschlandweit bis 2015 etwa 100 solcher Läden neu entstehen werden. "Diese Entwicklung ist besonders in München zu beobachten." Die Outdoor-Marken mieten auch gerne Läden mit ungewöhnlichem Zuschnitt. Während das klassische Modegeschäft lieber einen rechtwinkligen Raum mit breiter Ladenfront hat, haben Outdoor-Läden kein Problem mit Flächen auf zwei Ebenen, die mit einer Treppe verbunden sind. Der Kunde kann dann seine Bergstiefel gleich auf unebener Fläche testen.

Ob die Nachfrage nach Outdoor- und Sportartikeln in München bei noch mehr neuen Filialen irgendwann kippt, sei schlicht nicht zu beantworten, sagt Berater Kellermann. Gerade die großen Häuser hätten ja auch alle ihre eigenen Stärken: Während Karstadt Sport sehr auf Sportartikel zielt und Globetrotter vor allem auf Outdoor, bieten Schuster und Scheck eine Mischung aus beidem - Schuster allerdings mit mehr Gewicht auf Outdoor als Scheck. Deshalb unterscheidet sich auch der ganze Zinnober, um Kunden anzulocken. Schuster setzt auf seine berühmte Kletterwand, Globetrotter hat Höhen- und Kältekammern. Sport-Scheck dagegen bietet in seinen neuen Räumen an der Neuhauser Straße eher etwas für den Feierabendsportler: Eine Atemgasanalyse soll Rückschlüsse auf seinen körperlichen Zustand zulassen.

© SZ vom 10.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: