Pächterin eines Reitstalls in Regen:Streben nach dem persönlichen Paradies

Lesezeit: 3 min

Aus Leidenschaft zu Pferden: Zwölf Jahre lang verdiente sie ihr Geld als Stewardess, nun hat Inge Achatz einen Reitstall gepachtet - trotz geringer Verdienstaussichten.

Melanie Staudinger

Inge Achatz ist keines der jungen Mädchen gewesen, die sich gleich nach der Schule auf ihr Fahrrad geschwungen haben und zum nächsten Reiterstall gefahren sind. Als Teenager striegelte sie keine Pferde, und sie hätte nicht ungeduldig auf den neuen Abenteuer-Comic in der Zeitschrift Wendy gewartet.

Die 45-jährige Inge Achatz - mit Pferd Robbie-Ray Morgan und Hündin Samantha - ist gelernte Bankbetriebswirtin und betreibt als Pächterin den Reitstall in Nebel bei Germering. (Foto: Günther Reger)

Ganz im Gegenteil, bis zu ihrem 24. Geburtstag beschäftigte sich die jetzige Geschäftsstellenleiterin der Pferdefreunde Dachau nicht viel mit dem Reiten. Einmal habe sie mit ihren Geschwistern Reitunterricht genommen, doch der Bruder verletzte sich. "Wir mussten uns einen anderen Sport suchen." Mit Mitte 20 aber kaufte sie sich plötzlich ein eigenes Pferd.

Heute, 21 Jahre später, sitzt Achatz im Stüberl des Reitstalls Nebel bei Germering im Landkreis Fürstenfeldbruck. Vom 1. Januar an wird sie dessen Pächterin sein. Steigende Stroh- und Heupreise, die drohende Pferdesteuer, geringe Verdienstaussichten: Diese düsteren Perspektiven haben sie nicht davon abgehalten können. "Einen Reitstall betreibt man nicht aus Profitstreben, sondern aus Idealismus", sagt Achatz.

Sie klingt optimistisch, auch wenn die Zahlen Gegenteiliges belegen. Im Jahr 2007 zählte das statistische Landesamt noch 15.035 Pferdehalter mit 98.150 Tieren in ganz Bayern. 2010 wurde die Erfassung umgestellt. Nun werden die Halter aller Einhufer, also auch beispielsweise von Eseln, einberechnet. Trotzdem zeigt die Tendenz nach unten: 12 331 Halter gab es 2010 bayernweit. Sie besaßen 88.324 Tiere.

Achatz hingegen musste nicht lange nachdenken. Seit 14 Jahren stellt sie ihre Pferde im Reitstall Nebel ein. Der Besitzer, ein Landwirt, wollte den Reitbetrieb nicht mehr selbst organisieren, und sich mehr der Feldarbeit widmen. Achatz reagierte schnell: "Ich liebe diese Anlage, und wollte mein Paradies erhalten." Dass sie ihr Geld mit Pferden verdient, sei "alles andere als selbstverständlich".

Sie ist gelernte Bankbetriebswirtin, doch dort durfte sie zu wenig Verantwortung übernehmen. Achatz wurde Stewardess. Nebenbei begann sie, Reitturniere für Freundinnen zu organisieren. Zwölf Jahre verdiente sie bei einer großen Fluggesellschaft gut. Dann kam der 11. September 2001: "Ich dachte, das mit dem Fliegen sei keine so gute Idee mehr." Achatz widmete sich nun ganz dem Reitsport. Auch wenn das nicht so lukrativ ist, wie es sich vielleicht anhören mag.

Man kann nicht davon ausgehen, dass man mit Pferden automatisch viel Geld verdienen kann", sagt Eberhard Senckenberg, Stallmeister im Haupt- und Landgestüt Schwaiganger, das zwischen Murnau und Kochel liegt. Dort gibt es 40 Zuchthengste und 50 Mutterstuten. Das Geschäft sei schwieriger geworden. Durch die künstliche Besamung sei keiner mehr auf den Hengst von nebenan angewiesen. Die internationale Konkurrenz sei groß, und auch der Wettbewerb zu privaten Anbietern. Im Gestüt gibt es heute 400 Besamungen pro Jahr, zu Bestzeiten waren es mehr als 1000.

Klar, das Pferd ist eines der teuersten Sportgeräte in Deutschland", sagt Achatz. Allein das Tier ist nicht billig. Und dabei muss es bei weitem nicht das Dressurpferd Totilas sein, für das die Springreiter-Legende Paul Schockemöhle angeblich zehn Millionen Euro bezahlt haben soll. "Wer ein einfaches Pferd kauft, ist mit 2000 bis 3000 Euro dabei", erklärt Achatz. Dazu kommt die Ausstattung. Maßgefertigte Ledersattel können 4500 Euro kosten, von der Stange gibt es sie bereits um 1500 Euro.

Und dann die monatlichen Aufwendungen: Im Reitstall Nebel bezahlen Pferdebesitzer 480 Euro Miete im Monat - enthalten ist die Box, deren Reinigung, die Fütterung und ein Weidengang auf dem fünf Hektar großen Auslaufgelände. Alle sechs bis acht Wochen muss das Tier zum Hufschmied, für 80 bis 150 Euro. Zwei Mal im Jahr kommt der Tierarzt zum Impfen.

"Alles in allem kostet ein Pferd in etwa so viel wie eine kleine Wohnung", sagt Achatz. Viele Reiterinnen, in ihrem Stall gehören nur zwei von 60 Pferden Männern, sparen sich das Pferd mühsam vom Gehalt ab. Auch deshalb ist die Angst vor einer Pferdesteuer groß. 700 bis 1000 Euro könnte diese pro Tier und Jahr betragen, analog zur bereits existierenden Hundesteuer, sagt Michael Hohlmeier, Geschäftsführer des knapp 100.000 Mitglieder zählenden Bayerischen Reit- und Fahrverbands. "Viele Besitzer wären gezwungen, ihr Pferd zu verkaufen", vermutet er.

Sein Verband hat daher schon an den bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und seine Kollegin auf Bundesebene, Ilse Aigner, geschrieben. "Eine solche Regel wäre komplett kontraproduktiv für den Breitensport Reiten", schimpft Hohlmeier.

Reitstallbesitzer kämpfen ihm zufolge noch mit einem anderen großen Problem: "Die Heu- und Strohpreise steigen immens." Früher habe der Doppelzentner elf Euro gekostet, heute muss man bis zu 17 Euro bezahlen. Ein Grund für die Verteuerung sei das regennasse Wetter im ersten Halbjahr gewesen, das zu Ernteeinbußen geführt habe. Ein anderes aber seien Biogasanlagen. Zum einen stiegen die Pachtpreise für Ackerland.

Die erhöhte Nachfrage nach Energiepflanzen habe Platzmangel zur Folge. Zum anderen kritisiert Hohlmeier: "Immer mehr Landwirte bauen lieber Raps oder Mais an, weil sich das für sie mehr rentiert, als wenn sie Gras oder Heu verkaufen."

Diesen Zusammenhang bestreitet das Bayerische Landwirtschaftsministerium bisher noch. Im vergangenen Sommer aber räumte die Behörde ein, dass die Preise für Heu und Hafer stark gestiegen seien. Bei einer Standardration für ein Tier ergebe sich eine Kostenmehrung von 1,12 Euro pro Tier und Tag auf insgesamt 1,82 Euro. Woran die Mehrung nun liegen mag, ist für Reitstallpächterin Inge Achatz nicht die vorrangige Schwierigkeit.

Ihre Strohbestände reichen noch für fünf Monate. Bis dahin wird es keine neue Ernte geben. "Ich suche händeringend nach einem Lieferanten", sagt die 45-Jährige. Dass ihr neuer Job nicht einfach werde, sei ihr aber auch vorher schon bewusst gewesen.

© SZ vom 24.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: