Zeugin sagt aus:"Ich hatte Todesangst"

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Neufahrner schlägt mit Stuhlbein brutal auf Spielothek-Mitarbeiterin ein - vor Gericht entschuldigt er sich bei ihr

Alexander Kappen

Früher, als sie noch einen Imbiss-Stand betrieb, gab sie dem heute 23-Jährigen gelegentlich einen Döner umsonst. Und auch später, als sie als Servicekraft in einer Neufahrner Spielothek arbeitete, "haben wir ein gutes Verhältnis gehabt", berichtet die 41-jährige geschiedene Mutter von zwei Kindern am dritten Hauptverhandlungstag vor der Jugendkammer des Landshuter Landgerichts. "Wir sind öfter mal rausgegangen, um eine zu rauchen." Aber dann kam jener 23. Januar 2011, an dem der 23-Jährige mit seinem Cousin besagtes Casino überfiel, 4650 Euro raubte und seine Bekannte mit einem hölzernen Stuhlbein brutal zusammenschlug (die SZ berichtete).

Womit habe ich das verdient? Ich habe keinen Mann und zwei Kinder, um die ich mich kümmern muss. Ich habe euch nichts getan!", ruft die Casino-Angestellte während ihrer Zeugenvernehmung den Angeklagten entgegen und bricht in Tränen aus. Am ersten Hauptverhandlungstag war sie bereits zusammengebrochen und von Sanitätern auf einer Trage aus dem Gerichtssaal gebracht worden.

Bei ihrer Vernehmung durch Richter Theo Ziegler ringt die 41-Jährige bei der Sitzung am Montag immer wieder um Fassung. Während der 23-Jährige, seine ebenfalls angeklagte Freundin - sie hat bei der Tat das Fluchtauto gefahren - und sein 26-jähriger Cousin aus Schwaig scheinbar abwesend in den Boden starren, schildert die immer noch krankgeschriebene Casino-Angestellte den Tathergang. Der 23-jährige Neufahrner - er hat die Tat wie sein Cousin bereits gestanden - habe an jenem frühen Sonntagmorgen sofort begonnen, mit dem Stuhlbein auf sie einzuschlagen. Unter Tränen berichtet sie, wie sie den Täter um Gnade anflehte: "Ich hatte Todesangst, ich war mir sicher, dass er mich umbringen will." Deshalb habe sie sich von der Putzkammer ins Treppenhaus geflüchtet, "damit er dabei wenigstens von der Videoüberwachung gefilmt wird". Sie habe "gebettelt wie ein Hund, dass er mich am Leben lässt, ich habe ihm gesagt, dass ich zwei Kinder habe, die mich brauchen". Doch der Täter habe ihr weder zugehört noch mit ihr gesprochen. Erst als der 26-Jährige dazukam, ließ der Angreifer von seinem Opfer ab.

Auch die andere, 50-jährige Servicekraft, die zur Tatzeit ebenfalls im Casino Dienst hatte und von dem 23-Jährigen bewusstlos geschlagen wurde, fängt im Zeugenstand mehrmals zu weinen an und verlässt später schluchzend den Raum. Die beiden Frauen, sie treten in dem Prozess als Nebenklägerinnen auf, sind bis heute arbeitsunfähig, haben Angstzustände und befinden sich in psychotherapeutischer Behandlung. Nachdem sie zuvor so teilnahmslos gewirkt haben, geben schließlich die beiden Angeklagten eine Erklärung ab, in der sie sich bei den Opfern und ihren Familien für die Tat entschuldigen. "Es tut mir sehr leid, ich schäme mich dafür", sagen beide unisono.

Noch nicht geklärt ist der Überfall im Oktober 2010 auf ein Casino in Weixerau, der den beiden Angeklagten ebenfalls zur Last gelegt wurde. Das Verfahren gegen den 26-Jährigen, der laut Anklage das Fluchtauto gefahren haben soll, wurde auf Antrag des Staatsanwalts eingestellt. Den 23-Jährigen dagegen will die Servicekraft, die in Weixerau überfallen wurde, auf einem Video an seinem "schaukelnd-tänzelnden Gang" erkannt haben: "Den werde ich nie vergessen". Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 13.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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