Umweltschützer schlagen Alarm:Flächenfraß in der Boomregion

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Beim Landverbrauch für Wohn- und Gewerbegebiete liegt der Landkreis Freising bayernweit an der Spitze.

Alexandra Vettori

- 23 Fußballfelder werden in Bayern täglich neu als Baugebiet ausgewiesen, so weit der statistische Mittelwert. Im Landkreis Freising sind es noch mehr Fußballfelder. Bayernweit liegt der Landkreis an der Spitze beim Landverbrauch. In den Jahren von 1980 bis 2010 wuchs die Siedlungsfläche aus Wohnhäusern, Gewerbeflächen, Straßen und Begleitgrün von 6,3 Prozent der Gesamtfläche auf zwölf Prozent an, das bedeutet ein Wachstum um über 4400 Hektar allein in den vergangenen 30 Jahren. Eine ähnliche Rate zeigt bayernweit nur der Landkreis Erding.

Angesichts des Flächenfraßes an unverbauter Landschaft schlagen Umwelt- und Heimatschützer Alarm. Im Großraum München wehren sich mittlerweile über 20 Bündnisse und Bürgerinitiativen gegen Bauprojekte und Landverbrauch. Um zumindest einen Plan für eine gelenkte Entwicklung zu haben, die verschiedene Interessen berücksichtigt, lässt das Landratsamt Freising derzeit ein Landkreisentwicklungskonzept erstellen. Weil aber die Kehrseite der Flächenfraß-Medaille eine boomende Wirtschaft und im Landkreis die niedrigste Arbeitslosenrate Deutschlands ist, heißt das Ziel nicht Entwicklungsstopp, sondern Entwicklung mit möglichst wenig Flächenverbrauch. Viel zu sagen haben Kreistag und Landratsamt in der Sache nicht. Die Planungshoheit der Kommunen sorgt dafür, dass die Entscheidungen über den Landverbrauch auch künftig in den Rathäusern fallen. Landrat Michael Schwaiger betonte denn auch bei der Präsentation erster Ergebnisse des Landkreisentwicklungskonzeptes, letztlich bleibe nur, "ein Bewusstsein herzustellen".

Hauptmotor des Flächenverbrauchs im Landkreis war und ist der Flughafen, der 1992 eröffnet wurde. Waren es erst der Flughafen und angrenzende Gewerbegebiete, so sind die Auswirkungen längst auch in entfernteren Orten wie Allershausen oder Au zu bemerken, in Form von ansiedlungswilligen Logistikbetrieben bis hin zu Wohnungssuchenden, die von den Mietpreisen im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs immer weiter nach außen gedrängt werden. In Freising wuchs die Siedlungsfläche laut Daten vom Landesamt für Statistik von 11,2 Prozent im Jahr 1980 auf 21,9 Prozent im Jahr 2010. In Moosburg stieg der Anteil von 9,4 Prozent vor 30 Jahren auf jetzt 16,1 Prozent, in Eching von 12,3 auf 20 Prozent, in Neufahrn von 9,5 auf 16, 7 Prozent. Das rasanteste Wachstum hat Hallbergmoos hingelegt. Waren 1980 noch 152 Hektar oder 4,3 Prozent des Gemeindegebiets mit Siedlung bedeckt, so stieg die Fläche bis 2010 auf 805 Hektar oder 23 Prozent. In jüngerer Zeit hat vor allem Langenbach für seine ehrgeizigen Gewerbegebietsausweisungen Prügel als Landverbraucher einstecken müssen. Dabei stieg der Anteil der Siedlungsfläche in den vergangenen 30 Jahren von 4,4 Prozent auf gerade mal 9,6 Prozent.

Ein Ende des Baubooms scheint nicht in Sicht. Prognosen sagen ein weiteres Einwohnerwachstum in der Region München voraus, 300 000 Zuzügler in 20 Jahren sollen es werden. Christian Breu, Geschäftsführer des Regionalen Planungsverbands, sieht die Bauwut eher gelassen. Er verweist auf die sogenannte Flächeneffizienz, also die Inanspruchnahme von Fläche pro Einwohner und Arbeitsplatz. Da nämlich weist die Region München mit 234,2 Quadratmeter pro Einwohner und Beschäftigtem bayernweit die geringste Flächeninanspruchnahme auf. Der Wert stammt allerdings aus dem Jahr 2008, der aktuellsten verfügbaren Zahl. In München selbst liegt der Wert bei 115 Quadratmeter, im ländlichen Raum sind es 567 Quadratmeter. Breus Fazit: "Die Region München ist beispielhaft für einen effizienten Umgang mit der Siedlungs- und Verkehrsfläche." Für möglichst flächensparendes Bauen sorgten freilich schon die hohen Grundstückspreise. Hochtrabenden Plänen in den Rathäusern will Breu jedenfalls nichts entgegen setzen: "Es ist eine prosperierende Region, das sollte nicht gebremst werden. Im Übrigen wachsen wir ja sowieso nur noch mit dem halben Tempo der vergangenen Jahre."

© SZ vom 19.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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