Sparen an der öffentlichen Sicherheit:Personalnot bei der Polizei Freising

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Polizeipräsidium bestätigt ein derzeit "deutliches Minus". Etliche Beamte sind schichtdienstunfähig.

Birgit Goormann-Prugger

Freising - Um die Sicherheit in Freising ist es gut bestellt - noch. Denn wie überall in Bayern kämpfe auch die Polizeiinspektion in Freising mit drängenden Personalproblemen, sagte der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete und Ehrenvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Harald Schneider. Er sprach am Mittwoch bei einer Wahlkampfveranstaltung von SPD-OB-Kandidatin Eva Bönig zum Thema "Sicherheit im öffentlichen Raum". Schneider warnte davor, die Personalnöte der Polizei zu unterschätzen. "In Freising pfeifen die Kollegen auf dem letzen Loch", sagte er. Das könne im Ernstfall "auch mal ins Auge gehen". Der Einsatz der Sicherheitswacht sei keine Lösung. "Diese Leute haben die besten Absichten, aber im Ernstfall können sie auch nur die Polizei anrufen". Bei der PI Freising wollte man Schneiders Aussagen nicht kommentieren, aus verständlichen weil ermittlungstaktischen Gründen, wie der SPD-Landtagsabgeordnete sagt. "Man will möglichen Straftätern nicht im Detail mitteilen, wie viele Beamte zu welcher Zeit im Einsatz sind." Fakt sei dennoch: Die "Verfügungs-Stärke", wie es im Polizeijargon heißt, sei in Freising weit von der "SollStärke" entfernt. Die liegt nach Aussagen von Schneider bei 74 Einsatzkräften. Darüber könne Freisings Polizeichef Anton Hemmer derzeit aber gar nicht verfügen. "Ihm fehlen 25 Prozent seines Personals", sagte. Die Beamten seien krank, in Elternzeit, bei einer Fortbildung oder zu anderen Dienststellen abgeordnet, wo sie noch dringender gebraucht würden. Mit dem verbliebenen Kräften hält die PI Freising einen Vier-Schicht-Betrieb aufrecht, wobei da auch nicht alle eingesetzt werden können. "Etliche Mitarbeiter sind durch die jahrelangen Anstrengungen des Berufs gar nicht mehr schichtdienstfähig", sagt Schneider. Ein derzeit "deutliches Minus" beim Personalstand der PI Freising kann auch Hans-Peter Kammerer, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Oberbayern Nord, bestätigen. Doch die Mehrarbeit werde von den zur Verfügung stehenden Kräften "gut aufgefangen", so Kammerer. Ein erster Blick auf die Kriminalstatistik für 2011 zeige, "die Zahl der Straftaten ist leicht rückläufig. Die Freisinger Polizei macht also gute Arbeit". Für Schneider kein Grund, sich beruhigt zurückzulehnen. Er warnt: "Sicher, die Wahrscheinlichkeit, dass man derzeit in Freising überfallen wird, ist so hoch wie ein Sechser im Lotto. Die Frage ist nur: Wie lange bleibt das noch so?" In der Boomregion Freising nehme die Einwohnerzahl stetig zu, die rechte Szene, die seiner Ansicht nach ohnehin Oberwasser habe, sei auch in Freising besonders aktiv. Das bewiesen die Aktivitäten des Aktionsbundes. Auch sei nicht klar, wie die Debatte um die dritte Startbahn am Flughafen ausgehe. "Wenn das nicht so läuft, wie man sich das hier vorstellt, wird auch das Klima bei den Demonstrationen schärfer", prognostizierte Schneider. Bei der Polizei in Freising, die ein Gebiet zu betreuen habe, das von Ost nach West 30 Kilometer breit sei und von Nord nach Süd 20 Kilometer, müsse das Personal also dringend aufgestockt werden. Zum 1. März bekomme Freisings Polizeichef aber nur eine zusätzliche Kraft zugeteilt. "Das ist zu dünn", sagte Schneider. Große Sorgen bereite der Polizei auch die Abschaffung der Sperrzeit in Bayern, was zu einer Verdoppelung der Alkoholdelikte geführt habe - vor allem bei Jugendlichen. "Und Respekt vor der Polizei haben sie nicht mehr." Im Kunstpark Ost beispielsweise reiche es längst nicht mehr, wenn die Münchner Polizei dort mit nur einer Streifenbesatzung unterwegs sei. "Die nehmen denen nachts um vier den Wagen auseinander", sagte Schneider. Auch im Landkreis Freising hatte jüngst vor einer Diskothek in Oberhaindlfing ein Gruppe angetrunkener Jugendlicher einen Krankenwagen gestürmt, in dem gerade eine 18-Jährige mit Alkoholvergiftung behandelt worden war. Die Polizeistreife hatte das nicht verhindern können. Den fehlenden Respekt der Jugend beklagt auch Max Riemensperger, Betreiber des Freisinger Nachtcafés. Respekt lerne man aber nur im Elternhaus, und oft sei die Erziehung dort viel zu lasch. Für die Alkoholdelikte bei den Jugendlichen allein die Wirte verantwortlich zu machen, sei falsch: "Bei mir können sie sich nicht betrinken, das Bier kostet vier Euro, das können sie sich gar nicht leisten." Den Alkohol besorgten sich die Jugendlichen im Supermarkt, "ganz billigen, hochprozentigen Schnaps, mit dem füllen sie sich vorher ab".

© SZ vom 27.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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