Frauenkirche:Ab morgen läuten andere Glocken

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Spätestens bei Stufe 265 von 400 kommt man ins Schwitzen. Dabei pfeift draußen um die Domtürme ein eisiger Wind - die Arbeiter, die den Turm der Frauenkirche für das neue Geläut vorbereiten, haben keinen leichten Job.

Von Monika Maier-Albang

Auf die Holztreppe in Fensternähe hat sich Schneematsch gelegt. Denn die Taubengitter halten zwar das Getier einigermaßen fern, nicht aber alle Wetter-Widrigkeiten. Unfreundliche Bedingungen also für die Arbeiter, die in diesen Tagen ständig beide Türme rauf- und runterwuseln. Bis Dienstag muss schließlich alles vorbereitet sein, wenn die neuen Glocken hochgeholt werden.

Was aber tun, wenn es am Dienstag stürmt und schneit? "Trotzdem hochziehen!" Werner Junghans, Verbindungsmann des Planungsbüros Dobler zum Bistum, lächelt verschmitzt. Und zitiert einen Satz, den er im Ordinariat gehört hat: "Wenn's stürmt, zünden wir halt eine Kerze an." Das ist wahres Gottvertrauen. Auch wenn sie es sich nicht gern anmerken lassen: Ein bisschen besorgt sind die Verantwortlichen schon, ob das mit dem Wetter klappt. Weniger wegen der Technik, "die steht", sagt Junghans.

Ebenso die Mannschaft: ein erfahrener Kranführer der Firma Schmidbauer, zwei Spezialisten der Passauer Glockengießerfirma Perner, zwei Gerüstbauer, die sich in 80 Meter Höhe am Südturm anseilen und auf einer eigens errichteten Plattform die Glocken in Empfang nehmen werden. Nur den Zuschauern könnte es diesmal den Blick verregnen.

Beim Einzug der drei neuen Glocken "Michael", "Speciosa", "Cantabona" am 19.März war es noch warm und sonnig. Doch jetzt ist das Wetter umgeschlagen und Werner Junghans muss noch ein paar gefrorene Tauben aufsammeln, die sich im Turm verirrt hatten.

Dienstag um sechs Uhr morgens wird dann die Firma Schmidbauer ihren Teleskopkran aufbauen. Ein Verlängerungsstück müssen sie an den Kran setzen, der 250 Tonnen tragen kann. Die Glocken fallen kaum ins Gewicht bei einem Kran, der 250 Tonnen heben kann. Doch die Höhe: 80 Meter, das ist selbst für die Spezialfirma weit oben. Um 11 Uhr wird zuerst die alte "Winklerin", die einer Frühjahrskur unterzogen wurde, zurück in den Nordturm gehievt.

Der Kran wird die 3000 Kilogramm schwere Glocke lediglich auf 32 Meter Höhe bringen. Durch eine so genannte "Einbringöffnung", ein Tor im Turm, durch das schon im Mittelalter Lasten hereingeholt wurden, kommt die Winklerin ins Innere. Dann geht es weiter fast wie in alten Zeiten: Die Glocke wird innen im Turm hochgezogen. Früher half dabei ein riesiges hölzernes Laufrad. Heute nimmt man eine mechanische Seilwinde.

Das Laufrad, sechs Meter im Durchmesser, sieht aus wie ein überdimensionales Hamster-Trimm-Gerät. Nur, dass Menschen es bewegten. Funktionieren würde das Rad heute noch. Stellt man sich hinein, setzt es sich ohne zu quietschen in Bewegung.

Wenn die Winklerin im Nordturm neben Susanna und der Frauenglocke verstaut ist, wird sich der Kranführer dem Südturm zuwenden. Dort hängen momentan fünf Glocken. Die kleinste und älteste heißt Klingel, stammt aus dem 14.Jahrhundert - das Alter hat man anhand ihrer gotischen Inschrift rekonstruiert, wer sie schuf, ist unbekannt. Daneben hängen: die Benno-Glocke aus dem Jahr 1617, die Präsenz-Glocke von 1492 und die Frühmess-Glocke von 1442. Und es gibt die Pius-Glocke, von der man kaum mehr weiß, als dass sie 1958 in den Turm kam.

Weil ihr Ton nicht zu den anderen passt, soll sie nun abgenommen und verschenkt werden. Zwei Plätze in der Glockenstube sind seit dem zweiten Weltkrieg vakant. Dass die Nazis die Glocken für die Waffenproduktion beanspruchten, hält Domkapellmeister Karl-Ludwig Nies für ein vordergründiges Argument. "Die nahmen damals schon Stahl, keine Bronze." Wohl eher mussten die Glocken übergeben werden, vermutet Nies, weil Goebbels sich vorgenommen hatte, "die Türme zum Schweigen zu bringen".

Die Glocken, die man übergab, waren allerdings keine historischen, sondern nur Ersatz für ältere, die im Ersten Weltkrieg tatsächlich eingeschmolzen worden waren.

Uralte Balken

Am Südturm wartet auf den Kranführer Millimeterarbeit. Weil hier der Aufzug zur Besucherplattform eingebaut ist, können die Glocken nicht innen hochgezogen werden. Die Fenster zur Glockenstube oben am Turm aber sind gerade groß genug, dass die drei neuen Glocken hindurch passen. Von 14 Uhr an werden Cantabona, Speciosa und Michael im Stundentakt hochgezogen. Die Pausen müssen sein, weil die Gerüstbauer in der Glockenstube jeweils nach Ankunft einer Glocke durch Umbauarbeiten für die nächste Platz schaffen müssen. Befestigt werden die Glocken an Eichenbalken, die noch aus dem 15. Jahrhundert stammen.

Keine Fliegerbombe hat sie zerstört, kein Brand versengt. Heute gibt es dort überall Brandmelder. Früher dienten die Türme selbst der Feuer-Früherkennung: Im Nordturm wohnten Wächter, die in Richtung eines Feuers eine rote Fahne aus einem der Fenster hängten, wenn sie im Stadtgebiet ein brennendes Haus entdeckt hatten. Mit einem Hammer schlugen sie dann zur Warnung die 8000 Kilo schwere Susanna an, denn um sie zu läuten, hätte es 16 Männer bedurft.

Momentan aber schweigt Susanna. Wie auch die anderen Glocken bis Dienstag nicht geläutet werden, um die Arbeiter nicht zu gefährden. An Ostern werden dann alle zehn Glocken zum ersten Mal zusammen erklingen. Die neuen hat Domkapellmeister Nies schon mit einem Hämmerchen getestet. Das hat ihn genauso zuversichtlich gestimmt wie die Computersimulation. Aber wissen, ob's passt, werde man es erst an Ostern, sagt Nies. "Ihren vollen Klang entfalten die Glocken nur, wenn sie frei schwingen."

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