Festival der Filmhochschulen:Institut für Kontaktanbahnung

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Wer kommt? Wer ist wichtig? Wer wird mein Freund? Das Festival der Filmhochschulen in München ist ein bedeutender Branchentreff für den Nachwuchs.

Von Claudia Fischer

Na, das sieht doch schon ziemlich gut aus. So wie Maren Aden und Schauspielerin Eva Löbau im Arri-Kino-Foyer für ein Foto posieren, könnte man glauben, das sei Alte Schule.

Von der Filmhochschule zum Erfolg: In diesem Jahr war das dem Regisseur Michael Schorr mit "Schultze gets the blues" gelungen. (Foto: Foto: dpa)

Auch wie die 27-jährige Aden auf der Bühne steht und vor voll besetztem Saal in fließendem Englisch die Überleitung zum nächsten Programmpunkt bestreitet, um danach kokett lächelnd ins Publikum zu fragen: "Sollte das jetzt eigentlich ein Witz sein?" - das wirkt schon professionell.

Sollte sie irgendwann einmal auf einer hellerleuchteten Bühne stehen und für ihren Film "Der Wald vor lauter Bäumen" eine kleine goldene Statue überreicht bekommen, braucht man sich sicher keine allzu großen Sorgen machen, dass sie sich verhaspelt.

Eines scheinen diese Filmstudenten schon ziemlich früh verinnerlicht zu haben: dass es wichtig ist, eine gewisse weltmännische Professionalität an den Tag zu legen. Deren Merkmal ist unter anderem eine Höflichkeit, die jedem entgegenbebracht wird, der des Weges kommt. Es könnte schließlich der Produzent deines Lebens sein, der dich von der Seite anquatscht.

Wer sich durch die dichte Menschenmenge der Eröffnungsparty zum diesjährigen Festival der Filmhochschulen drückt, bekommt deshalb auf jede banale Frage eine höfliche Antwort. "Wo ist die Garderobe?" - "Ich kann Sie hinbringen." "Sind Sie Filmstudent?" - "Ja, kann ich Ihnen helfen?" Es herrschen unter den 22- bis 30-Jährigen geradezu englische Umgangsformen: "Ich selbst leider nicht, aber darf ich Ihnen einen Bekannten vorstellen?" Wenn Filmhochschüler feiern, kann es einem sogar passieren, am Büfett vorgelassen zu werden - der Gipfel guter Manieren.

Business, kein Spaß

Das ist hier Business und nur vordergründig Spaß. Man ist nicht zum reinen Vergnügen in die Max-Emanuel-Brauerei gekommen, wo der von Sat1 gesponserte Empfang zum Auftakt des 24. Internationalen Festivals der Filmhochschulen stattfindet. Zwischen gut bestücktem Büfett und Bar werden die richtigen Verbindungen gepflegt, Chancen ausgelotet, keimen Blumen der Hoffnung.

Jeder versucht, jemanden kennen zu lernen, der wichtig ist. Oder es mal werden könnte. Das Festival der Filmhochschulen, das nun seit fast 25 Jahren in München stattfindet, ist Kontaktbörse und will das auch sein. "Es geht darum, die Leute zusammenzubringen. Untereinander, aber auch, ihnen Kontakte zur Münchner Filmwirtschaft zu verschaffen", sagt Geschäftsführer Andreas Ströhl.

Das funktioniert vor allem über Veranstaltungen und Projekte, die an allen sechs Tagen stattfinden. Arri hält hier Hof in Form von Seminaren und Workshops, ebenso wie die Schnittfirma Avid oder der Filmfernsehfonds Bayern. Sich hier nicht blicken zu lassen, könnte sich später mal rächen.

Fragt man die Studenten, geht es mitnichten um schnöde Karrieregeilheit. Kontakte zu Studenten aus aller Welt knüpfen, Freundschaften schließen, das ist angeblich die Hauptsache.

Ali Zajaji, 23, von der HFF München findet es wichtig, auch mal Filme von Studenten anderer Hochschulen zu begutachten. "Es ist gut, zu sehen, was machen die anderen." "The Films are exposed to a big audience", meint Danyael Sugawara, 29, aus Amsterdam, was bedeutet, dass Filme, die es beim Hochschulfilmfestival in München auf die Leinwand geschafft haben, abonniert sind auf volle Säle.

"Es ist ein gutes Zeichen, wenn dein Film hier läuft."

Besonders das harte Auswahlverfahren, das die Filme der Hochschüler durchlaufen müssen, bevor sie genommen werden, garantiert einen hohen Standard. "Es ist ein gutes Zeichen, wenn dein Film hier läuft", sagt Danyael. Vaclav Kadrnka, 31, aus Prag erzählt, dass er im vergangenen Jahr erstmals auf dem Münchner Festival war, da sein Film dort lief. Noch jetzt hat er Kontakte zu jenen Leuten, die er damals kennen lernte.

Auch der Abschlussfilm von Regisseur und Ex-Filmhochschüler Rainer Kaufmann, der zu späterer Stunde noch in der Max-Emanuel-Brauerei eintrifft, ist einst hier gelaufen. "Filmstudenten sollten nicht zu Erfüllungsgehilfen ausgebildet werden, sondern die Filmlandschaft mit neuen, innovativen Stoffen befruchten." Dafür seien die Kontaktanbahnung untereinander wichtig und das Hinausblicken über den Tellerrand, doziert er.

Geschäftsführer Andreas Ströhl, der im Vorraum des Lokals gerade über seinen eigenen Tellerrand hinausblickt und während des Essens zwei Interviews gleichzeitig gibt, betont gerne, dass das Münchner Festival der Filmhochschulen eines der wichtigsten weltweit ist. "Hierankl"-Regisseur Hans Steinbichler, der mit am Tisch sitzt, nickt zustimmend.

Abtasten mit dem Scanner-Blick

Neuankömmlinge werden mit Scanner-Blick abgetastet: Wer ist da, wer kommt, hat der was zu sagen? Manchmal aber betreten Leute das Lokal, die die normalerweise um diese Zeit stattfindende Veranstaltung "Fifties Records Hop" von Chuck Hermann suchen. Unsicheren Blicks wenden sie sich angesichts der vielen selbstsicher wirkenden Filmleute an das Barpersonal, das ihnen erklärt, die Rock'n'Roll-Sause entfalle heute.

Aber das hier ist ja schließlich auch wichtig. So wichtig, dass sich selbst Sender wie Sat1 und Pro7 einklinken und mit an Mäzenatentum grenzender Großzügigkeit Eröffnung und Abschlussveranstaltung sponsern. "Die Filmwochen GmbH allein könnte nicht mehr als 300 Leute einladen", sagt Ströhl. Warum sich zwei große Privatsender nun schon seit Jahren beteiligen, erklärt er achselzuckend im Ökonomenjargon: "Investition in den Nachwuchs."

Das scheint zu funktionieren. Irgendwann haben fast alle, die es zu etwas gebracht haben, in München angefangen: Lars von Trier, Doris Dörrie, Thomas Winterberg oder Rainer Kaufmann. In ein paar Jahren werden vielleicht auch Maren, Danyael und Vaclav auf der Eröffnungsparty mit einem Glas Wein in der Hand zum Thema "Hinausblicken über den eigenen Horizont" dozieren.

© SZ vom 16.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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