Festival der Filmhochschulen:Ein kurzer Film über Menschen

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Die Oscar-verdächtige Michaela Kezele und andere junge Talente zeigen ihre Werke beim Internationalen Festival der Filmhochschulen.

Jochen Temsch

Michaela Kezele und der Oscar - als Paar durchaus vorstellbar. Die junge Regisseurin hat gute Chancen, die nächste Münchnerin zu sein, die die begehrte Trophäe nach Hause bringt. Doch sie zügelt ihre Phantasie: "Wenn ein Film läuft, dann muss man eben mal sehen."

Ihr 23-Minüter "Milan" läuft außerordentlich gut. Kurz vor dem Interview war Kezele noch bei den Filmfestspielen im schwäbischen Biberach, wo sie den Preis für den besten Kurzfilm bekam. Nach dem Interview muss sie schnell raus zur Münchner Messe, um den Filmpreis des Medien-Campus Bayern entgegenzunehmen.

Das sind nur zwei Auszeichnungen von vielen. Sie hatte noch nicht einmal Zeit, die lange Preis-Liste auf ihrer Website zu aktualisieren. Und wie findet sie die Lobreden? "Ich bin glücklich", sagt die 32-Jährige, "durch die Ehrungen fühle ich mich verstanden".

In "Milan" erzählt Kezele die Geschichte zweier Brüder während der Nato-Bombardierungen Jugoslawiens im Jahr 1999. Der Ältere hat einen Busunfall, kommt auf die Intensivstation und stirbt, weil nach einem Luftangriff der Strom ausfällt. Zur gleichen Zeit findet sein kleiner Bruder einen verletzten amerikanischen Bomberpiloten im Wald.

So zeigt "Milan" die Absurdität des Krieges - eines jeden Krieges - so parabelhaft wie realistisch und wirft in komprimierter Form Sinn- und Schuldfragen auf: Wer ist Täter? Wer Opfer? Warum?

Der Film lief erfolgreich auf mehreren internationalen Festivals und wurde schließlich für den Studenten-Oscar nominiert. Den erhielt Kezele zwar nicht, aber aufgrund der Academy-Arithmetik ist sie automatisch in der Vorauswahl des Kurzfilm-Oscars gelandet.

Wie außerdem ihr Ex-Kommilitone an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film, Michael Dreher, der mit seinem ebenfalls mehrfach ausgezeichneten Kurzspielfilm "Fair Trade" im Rennen ist. Darin geht es um den existenziellen Gegensatz von Arm und Reich in Europa, dargestellt mit einem tödlichen Babyhandel an der mit symbolischer Nähe aufgeladenen Meerenge zwischen Gibraltar und Marokko. Ob wirklich einer von beiden Regisseuren nach Los Angeles fliegt, entscheidet sich im Januar.

Jetzt läuft "Milan" erst einmal als einziger Münchner Wettbewerbsfilm beim Internationalen Festival der Filmhochschulen im Filmmuseum, das am kommenden Samstag beginnt. Der Branchentreff hat den Anspruch, die weltweit besten jungen Filmemacher eines Jahres zu versammeln. In der Vergangenheit gehörten dazu spätere Stars wie Lars von Trier, Nick Park, Caroline Link, Florian Henckel von Donnersmarck oder der Rumäne Cristian Mungiu, der dieses Jahr die Goldene Palme in Cannes gewonnen hat.

Insgesamt präsentieren sich 39 Regisseure von 28 Filmschulen aus 20 Ländern und konkurrieren um zehn Preise im Wert von zusammen 50.000 Euro. Das handwerkliche, professionelle Niveau ist hoch. Die Vielfalt der Genres reicht von Märchen, Thrillern und Psychodramen bis zu Komödien, Animationen und Dokumentationen.

Mit dabei sind unter anderem auch der Berlinale-Kurzfilmgewinner Arvin Chen mit der Liebesgeschichte "Mei" und der Argentinier Gonzalo Tobal, der mit dem Roadmovie "Now Everybody Seems to Be Happy" Gewinner der Cinefondation in Cannes gewesen ist.

Der Blick auf die Arbeiten der jungen Regisseure ist immer auch ein Ausblick auf die mögliche Zukunft der Branche. Dazu meint HFF-Professor Andreas Gruber, der künstlerische Leiter des Filmschulfests: "Wenn es einen aktuellen inhaltlichen Trend gibt, dann den, dass es keinen gibt. Die Produktionen sind differenzierter denn je, auch in ihren Ansprüchen."

Den Anspruch von "Milan" wertet Gruber als politisch. Dieses Prädikat wiederum will Michaela Kezele nur für ihre universale Botschaft gelten lassen: "Ich wollte einfach einen Film für den Frieden und gegen den Krieg machen. Er könnte auch in Afghanistan spielen." Das tut er aber nicht. "Milan" spielt in der Nähe von Belgrad, also in Serbien, und spart die Hintergründe des Nato-Angriffs aus.

Damit tun sich einige Kritiker schwer, die ihr vorwerfen, pro-serbisch zu agitieren. Das ist genau so eine Art Vorurteil, wie sie Kezele mit ihrem Film angeht. Sie meint: "Es genügt nicht zu sagen: Das sind die Bösen und das die Guten. Krieg ist eine komplexe Angelegenheit, hinter der sich viele traurige Schicksale verstecken. Es gibt die Politik, und es gibt Menschen, die mit ihr leben müssen. Ich habe einen Film über Menschen gemacht."

Vom Irrwitz des ethnischen Konfliktes erzählt auch ihre eigene Familiengeschichte: Ihr Vater stammt aus Kroatien, ihre Mutter ist serbisch-orthodox. Beide kamen vor 40 Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland. Im jugoslawischen Bürgerkrieg wurden ihre Dörfer von der jeweils anderen Seite niedergebrannt.

Michaela Kezele verbrachte einen Teil ihrer Kindheit bis kurz vor Kriegsausbruch bei ihren Großeltern in Dubrovnik. Vor diesem Hintergrund, sagt sie, freue sie sich besonders über die große Kraft ihres Films, obwohl er so kurz ist. Sie meint: "Das Schönste ist, dass ,Milan' die Menschen in verschiedenen Ländern gleichermaßen berührt." Vielleicht gehört bald auch die Oscar-Jury dazu.

(Internationales Festival der Filmhochschulen: Filmmuseum, 17. November bis 24. November, www.filmschoolfest-munich.de. "Milan" läuft am 20. November um 17 Uhr und am 21. November um 22 Uhr.)

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