Feierabend im Augustiner:Gefangen im Biergarten

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Um das Gelände verlassen zu können, mussten 100 Gäste nachts um 1 Uhr über die Zäune klettern. Für den Oberstaatsanwalt ein Fall von "Nötigung" und "Freiheitsberaubung".

Astrid Becker

"Die Herzlichkeit im Service lässt Sie sich wie zu Hause fühlen, und das alles inmitten der Natur" - im Augustinerkeller, so scheint es, nimmt man den eigenen Werbeslogan zur Fußballweltmeisterschaft im Internet offenbar mehr als ernst. So ernst, dass selbst eine Nacht im Biergarten unter freiem Himmel nicht ausgeschlossen ist.

Rund 100 Gästen wäre dies vor kurzem fast passiert - weil alle Holztüren des Traditionsbiergartens gegen ein Uhr morgens fest verriegelt waren. Um das Gelände in Richtung heimisches Bett verlassen zu können, mussten sie, wie eine Journalistin des Münchner Merkurs berichtet, über die Zäune klettern. Für Oberstaatsanwalt Anton Winkler ein Fall von "Nötigung" und "Freiheitsberaubung".

100 weitere Gäste vor Türe getroffen

Die Journalistin (Name der Redaktion bekannt) erzählte der SZ, sie habe sich gegen 23.45 Uhr noch eine Apfelschorle an der Schänke geholt. Kurz vor ein Uhr sei dann das Licht ein paar Mal ausgegangen. "Meine drei Freunde und ich sind auch sofort aufgesprungen und wollten am Seiteneingang raus zu unseren Fahrrädern", sagt sie. Doch diese Tür war bereits fest verriegelt - und auch die Haupteingänge zur Arnulfstraße hin waren zu. Dort seien die Freunde auf knapp 100 weitere Gäste getroffen, die man ebenfalls eingesperrt hatte.

Ihr Lebensgefährte, ebenfalls Journalist, habe daraufhin noch an den Türen zum Wirtshaus hin gerüttelt - wohl in der Hoffnung, dort noch jemanden mit Schlüssel aufzutreiben. Vergeblich. Die anderen eingesperrten Besucher, so berichtet er, hätten sich auch gar nicht weiter über den Vorfall aufgeregt: "Die meinten, das seien sie schon gewöhnt."

Wirt Ludwig Högenauer kann sich das Ganze so gar nicht recht erklären: "Das war bestimmt eine Ausnahme. Aber es tut uns sehr Leid, wenn das so passiert ist." Klar, das ausgeschaltete Licht sei ein Hinweis, dass der Biergarten bald geschlossen werde. "Selbstverständlich geht dann aber noch jemand herum und fordert die Gäste auf, zu gehen", sagt er. Zudem wohne er selbst im Wirtshaus und hätte "einen Tumult von 100 Leuten" bestimmt bemerkt.

Ein neuer Ausgang muss her

Das reiche nicht aus, meint Oberstaatsanwalt Winkler: "Das kann jemand nicht mitbekommen, weil er zum Beispiel gerade auf der Toilette ist oder weil er, wie derzeit die vielen fremden WM-Touristen, Gepflogenheiten wie Licht ausschalten als Aufforderung zu gehen, gar nicht kennt." Und was sei mit älteren Menschen oder Rollstuhlfahrern? "Wie sollen die denn über einen Zaun kommen?" fragt er sich. Oder gar Betrunkene. "Die Verletzungsgefahr ist doch riesig." Für ihn steht fest: "Das ist Nötigung und kann sogar den Straftatbestand der Freiheitsberaubung erfüllen."

Der Wirt, so ist er überzeugt, habe nun Sorge dafür zu tragen, dass seine Gäste in jedem Fall einen Ausgang finden. Eine Tür zum Beispiel, die sich jederzeit nach außen öffnen lasse. Högenauer will nun darüber nachdenken.

© SZ vom 14.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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