EU-Ministerrat will Schadstoffgrenzen noch enger fassen:Die Umweltzone - schon bald Makulatur

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Künftig werden auch feinster Feinstaub und Stickoxide gemessen - und die Experten streiten um Fahrverbote.

Dominik Hutter

Feinstaub, noch feinerer Feinstaub, Stickoxide - die Vorgaben aus Brüssel für die geplante Umweltzone werden immer ehrgeiziger. Kopfzerbrechen bereitet den Münchner Behörden vor allem die für 2010 angekündigte Einführung strengerer Stickstoffdioxid-Limits. Die bisherigen Messungen lassen Schlimmes befürchten - die Grenzwerte werden wohl noch häufiger überschritten als beim Feinstaub.

Die Vorgaben aus Brüssel zum Feinstaub sind ehrgeizig: Bislang können die Messstationen an Stachus, Prinzregentenstraße und Luise-Kiesselbach-Platz die Werte nicht einhalten. (Foto: Foto: ddp)

"Die Stickoxide werden ein mindestens gleichwertiges Problem wie der Feinstaub", prophezeit Thomas Henschel vom Landesamt für Umweltschutz. Die Behörde hat in den vergangenen Jahren bereits die Belastung an den einschlägigen Orten gemessen. Mit entmutigendem Ergebnis: Der Jahresmittelwert an der Landshuter Allee lag zwischen 2005 und 2007 bei 89 bis 98Mikrogramm Stickstoffdioxid je Kubikmeter Luft. Erlaubt sind künftig nur noch 40.

Ähnlich sieht es an Stachus, Prinzregentenstraße und Luise-Kiesselbach-Platz aus - den geplanten EU-Jahresgrenzwert kann bislang keine dieser Stationen einhalten. Dazu kommt der ebenfalls relevante Mittelwert je Stunde, der allerhöchstens 18-mal pro Jahr jenseits der 200-Mikrogramm-Marke liegen darf. Die Landshuter Allee erreicht auch bei dieser Messgröße unrühmliche Rekorde von bis zu 102 Überschreitungen pro Jahr. Im Luftraum über dem Mittleren Ring tummeln sich dann bis zu 328 Mikrogramm Stickoxide je Kubikmeter, am Luise-Kiesselbach-Platz wurden auch schon 361 registriert. Stickstoffdioxid schädigt die Lunge.

"Man kann jetzt schon sagen: Das derzeit geplante Modell der Umweltzone wird nicht ausreichen", warnt Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne). Anders als beim Feinstaub, dessen Quellen oft in großer Entfernung liegen und daher kompliziert zu bestimmen sind, ließen sich die vergleichsweise ortstreuen Stickoxide relativ klar dem Verkehr zuordnen - "zu 60 bis 70Prozent", schätzt Lorenz. Schlecht für die Autofahrer, könnte man sagen, und schön für die Umweltbehörden, die es damit einfacher haben, an den richtigen Stellschrauben zu drehen.

Bislang ist nicht entschieden, wie weit die für den 1.Oktober 2008 geplante Umweltzone noch verschärft werden muss. Zur Debatte stehen, mit Termin 2010, eine Ausdehnung bis zum Stadtrand oder aber Fahrverbote auch für Autos mit roter Plakette (Diesel Euro2). Deutlich strenger wollen Berlin und Hannover vorgehen, die im Jahr 2010 auch die gelbe Plakette (Diesel Euro3) ächten wollen.

Die neue Stickstoffdioxid-Richtlinie soll am 1.Januar 2010 in Kraft treten und muss spätestens 2015 europaweit eingehalten werden. Bis dahin erwartet Brüssel jedoch ein erkennbares Bemühen um bessere Luft, einfach aussitzen gilt also nicht. Eine ähnliche Lösung greift derzeit auch beim Feinstaub. Weil 25 der 27 EU-Staaten die seit 2005 gültigen Limits nicht einhalten können, hat der EU-Ministerrat vergangene Woche die Gnadenfrist bis 2011 verlängert.

Erst dann drohen Sanktionen - nicht den Kommunen selbst, sondern den nationalen Regierungen. Deutsche Kommunen sind aber bereits durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verpflichtet, aktiv und verhältnismäßig gegen Luftverschmutzung vorzugehen.

Ganz neu im Katalog der EU-Grenzwerte ist der noch feinere Feinstaub PM2,5 mit maximal 2,5Mikrometer Durchmesser (die bisherigen Grenzwerte gelten für PM10 mit bis zu zehn Mikrogramm Durchmesser), den der EU-Ministerrat ebenfalls in der vergangenen Woche festgeschrieben hat. Spätestens im Jahr 2015 soll die Marke von 20Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht mehr überschritten werden.

Allzu viele Daten zu diesem Schadstoff gibt es leider noch nicht. PM2,5 wird derzeit probeweise an nur drei Stationen in Bayern gemessen, unter anderem an der Lothstraße. Die genauen Werte will das Landesamt für Umweltschutz derzeit noch nicht herausrücken. Erste Auswertungen belegen aber, dass die ganz feinen Teilchen PM2,5 etwa zwei Drittel der gesamten Feinstaubbelastung (PM10) ausmachen. Grob übertragen auf die Situation an der Landshuter Allee heißt das: Es wird wohl wieder nichts mit der Einhaltung der Grenzwerte.

"Wir werden das genauso wenig schaffen", unkt Umweltreferent Lorenz. Die Einführung von PM2,5-Grenzwerten sei jedoch sehr sinnvoll. Anders als PM10, das auch natürliche Teilchen wie Pollen und Saharastaub umfasst, stamme das besonders gesundheitsgefährdende PM2,5 ausschließlich aus Verbrennungsprozessen. Zur Vermeidung trägt auch hier der Einbau eines Partikelfilters bei. Das Optimum sei diese Lösung aber auch nicht, betont Lorenz - der Filter erhöhe leider den Ausstoß von Stickoxiden.

Umstritten bleibt weiter, ob Fahrverbote tatsächlich zu einer messbar besseren Luft beitragen - die Münchner FDP, die aktiv Wahlkampf gegen die Umweltzone gemacht hat, bezweifelt dies ebenso wie der ADAC, der in Berlin nun die ersten Musterklagen eingereicht hat. Ihre These: Da der Straßenverkehr nur für einen Bruchteil der Feinstaubbelastung verantwortlich ist (gemeint ist PM10), sind Fahrverbote ebenso unverhältnismäßig wie unwirksam.

"Umweltzonen können für die menschliche Gesundheit weit mehr nützen, als sich aus den routinemäßigen Feinstaubmessungen ablesen lässt", versichert dagegen Erich Wichmann vom Helmholtz-Zentrum in Neuherberg. "Sie sind umso effektiver, je stringenter sie die Hauptübeltäter aus der Stadt heraushalten, und das sind Diesel-Pkw und Diesel-Lkw ohne Partikelfilter".

Wichmann hält die aus dem Auspuff stammenden Teilchen für wesentlich gesundheitsschädlicher als die aus den meisten anderen Quellen. Diese Theorie ist allerdings umstritten, da es sehr schwierig ist, Herkunft und Wirkung der einzelnen Partikel zweifelsfrei zu bestimmen. Einig ist man sich jedoch, dass die größte Gefahr von den kleinsten Teilchen ausgeht.

Messbare Effekte einer Umweltzone kann bisher keine einzige deutsche Großstadt vorlegen - in Berlin, wo seit Januar Fahrverbote gelten, werden die Grenzwerte munter weiter überschritten. Immerhin gibt es in München erste Wasserstandsmeldungen für das im Februar eingeführte Lkw-Transitverbot, das ebenfalls die Feinstaub-Belastung eindämmen soll.

Auswertungen einer Zählstelle an der Heckenstallerstraße belegen laut Planungsreferat einen deutlichen Rückgang des Schwerverkehrs: stadtweit rund 8000 Lkw pro Tag weniger. Seriöse Aussagen lassen sich aber erst in einigen Monaten treffen.

© SZ vom 21.04.2008/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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