Zwei sind noch auf freiem Huf:Stiere auf der Flucht

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17 ausgerissene Rinder lösen einen Großeinsatz aus. Beteiligt sind sieben Feuerwehren, zwölf Streifenwagen, ein Polizeihubschrauber, mehrere Tierärzte und Jäger, sechs Reiter und die Bergwacht Miesbach

Von Florian Tempel, Erding

"Jetzt bin ich schon sehr erleichtert", sagt Sebastian Brandl. Der Ökobauer aus Reithofen hat aufregende Tage hinter sich. Nun sind zumindest 13 der am Montagabend ausgerissenen 17 Stiere wieder auf seinem Hof zurück. Zwei Tiere haben den Ausbruch in die Freiheit nicht überlebt. Ein Stier wurde schon am Dienstag von einem Polizeibeamten mit einem Bundeswehr-Sturmgewehr erschossen, weil er in der Nähe von Anzing beinahe auf die A 94 gelaufen wäre. Ein anderer verendete, nachdem er von Betäubungspfeilen getroffen worden war - wohl ein Herzinfarkt aus Stress, keine Überdosis.

Zwei der ausgebüxten Rinder sind immer noch fort. Sie sind im Ebersberger Forst untergetaucht. Brandl hofft, dass sie bald gefunden und erfolgreich betäubt werden können. So wie das bei mehreren letztlich ganz gut geklappt hat.

Sebastian Brandl ist eine erfahrener Landwirt. Seit 1983 ist er Biobauer. Neben dem Getreideanbau ist die Rinderhaltung sein Hauptgeschäft. Er hält stets etwa 40 Aubrac-Rinder. Die Bullen stehen in einem Offenstall und haben jederzeit Zugang zu einem 10 000 Quadratmeter großen Weideauslauf. Am Montagabend wollte Brandl die größeren von den kleineren Stieren trennen. "Da ist es dann passiert", sagt Brandl: die Gruppe der Kleinen drückte gegen ein Gatter, bis es aufbrach. "Die Großen waren Gott sei Dank schon in einem abgetrennten Bereich." Geschlachtet werden die Bullen mit circa zwei Jahren. Die ausgerissenen Stiere waren etwa ein Jahr alt und wiegen jeder um die 500 Kilo.

Der Ausbruch der Rinder entwickelte sich schnell zu einer immer größer werdenden Aktion. Polizei und Feuerwehr rückten an, ein Polizeihubschrauber kreiste über den Rindern. Die hatten sich in zwei Gruppen getrennt, standen aber noch relativ nah an ihrem heimischen Hof. Der Helikoptereinsatz trug eher nicht zur Beruhigung bei, die Stiere liefen weiter auseinander. Nun wurde man der Gefahr wahr, ein Bulle könnte womöglich auf einer Straße vor ein Auto rennen. Die Polizei veranlasste Warndurchsagen im Radio und klingelte um Mitternacht die Straßenmeisterei raus, um die Straße zwischen Buch und Harthofen zusperren.

Nach der ersten Nacht waren die Stiere in alle Himmelsrichtungen verteilt. Im Tagesverlauf waren am Dienstag sieben Feuerwehren und zwölf Polizeistreifen im Einsatz. Im Schützenheim in Reithofen wurde eine Zentrale installiert, zur Koordination der zahlreichen Einsatzkräfte. Tierärzte und ein speziell ausgebildeter Jäger kamen mit Betäubungsgewehren, aus dem nahen Unterschwillach rief man zwei Westernreiter mit ihren Pferden dazu. Die Bergwacht Miesbach wurde angefordert, weil die eine Drohne mit Wärmebildkamera und mit bester Auflösung hat. Pressefotografen und Kamerateams kamen unaufgefordert, weil die Sache doch so interessant war. Tolle Bilder: Wie Reiter eine größere Gruppe von Rindern flankierten und in einem großen Bogen zum Hof zurück trieben, ganz gekonnt. Das hätte so schön geklappt, scheiterte dann aber zuletzt an mangelnder Abstimmung. Die Reiter zogen etwas frustriert ab. Vier neue kamen statt ihnen, konnten jedoch nichts ausrichten. Ein Anwohner machte derweil mit seiner privaten Drohne Fotos von mehreren Stieren in einem Rapsfeld und verkaufte sie an die Presse.

Am Mittwoch und Donnerstag gelang es nach und nach, die Tiere zu betäuben, einzufangen und in Anhängern zurück auf den Biohof Brandl zu bringen. Es waren Szenen wie bei einer Großwildjagd, wenn die Veterinäre und der Jäger mit dem Betäubungsgewehr im Jeep über den Acker sich einem Stier näherten. Zwei bis vier Betäubungspfeile waren jeweils nötig, damit sich das getroffene Tier beruhigte. Das Narkotikum ließ so einen Bullen nicht bewusstlos umfallen. Aber er legte sich müde und schlapp auf den Boden Wenn dann aber ein Mensch mit einem Strick näher kam, war er allerdings gleich wieder auf den Beinen. Es blieb immer auch ein bisschen gefährlich, bis das Rind in einen Anhänger bugsiert war.

Und die beiden Stiere im Ebersberger Forst? Der Landwirt und Jäger, der beim Betäuben von einem halben Dutzend Brandl-Rinder dabei war, glaubt, dass es ziemlich schwierig wird, sie überhaupt zu finden. Zu fressen gibt es im Wald genug. Und sie würden nun "scheu wie Rehe" werden, allen Menschen aus dem Weg gehen.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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