Wegen verletzter Ehrgefühle:Keine Verteidigung, sondern Rache

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Asylbewerber tragen Streit mit Messer und Fahrradkabelschloss aus: Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung

Von Thomas Daller, Erding/Eitting

Im April dieses Jahres ist ein Streit zwischen zwei Asylbewerbern in Eitting eskaliert. Einer der beiden forderte den anderen zu einem Messerkampf auf Leben und Tod heraus. Der andere konnte sich zunächst in Sicherheit bringen, rächte sich aber kurz darauf, indem er mit einem Fahrradschloss auf seinen Kontrahenten einschlug. Der Angreifer mit dem Messer wurde bereits verurteilt, für die Attacke mit dem Fahrradschloss wurde der zweite Beteiligte nun vom Amtsgericht Erding wegen gefährlicher Körperverletzung zu 90 Tagessätzen von je fünf Euro verdonnert, die er in Raten abzahlen kann.

Die beiden waren zur Tatzeit in einer Unterkunft bei Eittingermoos untergebracht. Es handelte sich um einen 22-jährigen Mann aus Somalia sowie um einen 38-Jährigen Syrer. Hintergrund der Auseinandersetzung war ein Fußballspiel, bei dem die beiden in zwei gegeneinander antretenden Hobbymannschaften gespielt hatten. Dieses Fußballspiel hatte zwei Wochen vor der Tat stattgefunden und der Syrer soll den Somalier dabei dreimal kräftig gefoult haben. Am Tattag, es war Freitag, 7. April, fuhren sie zusammen mit einem weiteren Asylbewerber aus Afghanistan von der Berufsschule in Erding zurück in ihre Unterkunft. In dem Bus flammte der Streit um die unfaire Spielweise erneut auf und die beiden begannen, sich zu beschimpfen. Beim Aussteigen zückte der Syrer plötzlich ein Messer, fuchtelte damit vor dem Somalier herum und drohte, er sei zu einem Kampf auf Leben und Tod bereit. Dann bückte er sich auch noch nach einem dicken Ast, um auch damit zu drohen. Der Somalier wich jedoch aus, bis sich der Syrer beruhigt hatte. Dann ging er zu seinem Fahrrad, montierte das Kabelschloss ab und verfolgte seinen Kontrahenten. Er schwang es über den Kopf und schlug zweimal auf ihn ein. Ein Treffer gelang ihm an der Schulter, ein anderer am Bauch. Dann lief er davon und rief übers Handy die Polizei. Beide erhielten daraufhin einen Strafbefehl, den der Syrer widerspruchlos akzeptierte, der Somalier legte dagegen jedoch Einspruch ein. Daher wurde der Fall nun am Amtsgericht Erding verhandelt.

Es stellte sich jedoch rasch heraus, dass der Angeklagte die Tat gar nicht bestreiten wollte, lediglich die Strafe von 90 Tagessätzen von je zehn Euro fand er zu hoch. Insbesondere, weil er Angst hatte, damit dann vorbestraft zu sein; mit Konsequenzen wie einer Abschiebung. Richter Andreas Wassermann konnte ihn beruhigen: Erst ab 91 Tagessätzen werde eine Strafe ins Führungszeugnis eingetragen.

Der Angeklagte räumte den Sachverhalt ein und erklärte auf Nachfrage, warum er auf den Syrer losgegangen sei, nachdem sich dieser bereits wieder beruhigt hatte: "Er hat meine Ehre verletzt, meine Eltern und meine Heimat beleidigt."

Sein Kontrahent spielte als Zeuge den Vorfall herunter: Es sei "nichts passiert", man spiele auch wieder zusammen Fußball und die damalige Verletzung sei nicht schlimm gewesen. Es sei lediglich eine "Rötung" gewesen, wegen der er nicht einmal einen Arzt aufgesucht habe. "Für mich ist das erledigt, ich will nicht, dass er dafür bestraft wird."

Staatsanwältin Hofmann wies in ihrem Plädoyer darauf hin, dass gefährliche Körperverletzung eine "erhebliche Straftat" sei. Der Gesetzgeber sehe dafür einen Strafrahmen von mindestens sechs Monaten und einer Höchststrafe von zehn Jahren vor. Bei den 90 Tagessätzen, zu denen der Angeklagte per Strafbefehl verurteilt worden sei, wäre man ohnehin von einem minder schweren Fall ausgegangen und hätte zudem berücksichtigt, dass er noch keine Vorstrafe habe. Außerdem sei bei diesem Strafbefehl auch der Sachverhalt eingeflossen, dass der Angeklagte vorher provoziert und bedroht worden sei. Die Staatsanwältin forderte daher erneut eine Verurteilung zu 90 Tagessätzen zu je zehn Euro. Schließlich sei der Angriff keine Verteidigung gewesen, "sondern Rache".

Richter Wassermann blieb ebenfalls bei den 90 Tagessätzen, senkte aber die Höhe auf fünf Euro. Als Asylbewerber erhalte er lediglich ein Taschengeld in Höhe von monatlich 249 Euro. Darüber hinaus hatte der Angeklagte angegeben, dass er von diesem Taschengeld auch noch Raten für ein Fahrrad abstottere. Wassermann redete ihm ins Gewissen: Ein Kopftreffer, insbesondere am Auge, hätte schlimmere Folgen haben können. Der Somalier nahm das Urteil an und entschuldigte sich für sein Verhalten: "So etwas werde ich nie wieder machen".

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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