Viereinhalb Jahre nach der Tat:Rechtskräftig verurteilt

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Das Verfahren gegen den Frauenarzt Michael B. ist endgültig abgeschlossen. Der Bundesgerichtshof hat eine neuerliche Revision verworfen. Der 59-Jährige muss den Totschlag an seiner Frau mit neun Jahre in Haft büßen

Von Florian Tempel, Erding

Der spektakulärste Erdinger Kriminalfall der vergangenen Jahre ist endgültig zu einem Abschluss gebracht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Revision gegen die Verurteilung des ehemaligen Erdinger Frauenarztes Michael B. wegen Totschlags an seiner Ehefrau als unbegründet verworfen. Die Freiheitsstrafe von neun Jahren, zu der der 59-Jährige in seinem zweiten Prozess am Landgericht Landshut im Juli 2017 verurteilt worden war, ist damit rechtskräftig. Michael B. hat stets geleugnet, am 4. Dezember 2013 seine damals 60-jährige zweite Ehefrau zu Hause im Bad ihres Hauses im Erdinger Stadtteil Pretzen erst mit Dutzenden Schlägen übel verprügelt und dann erwürgt zu haben.

In seinem ersten Prozess war der Medizinprofessor im Januar 2015 noch mangels Beweisen freigesprochen worden. Der BGH hob das Urteil elf Monate später auf und verwies den Fall zurück ans Landgericht Landshut. Michael B. hatte sich jedoch nach Südamerika abgesetzt. Zielfahnder suchten und fanden ihn in Chile. Er wurde festgenommen und nach einigen Monaten in einem chilenischen Gefängnis nach Deutschland ausgeliefert. Die Beweislage war dann zwar im zweiten Durchlauf vor Gericht dieselbe wie zuvor. Die neuen Richter würdigten jedoch die Indizien anders. Für sie ergab sich - anders als im ersten Prozess - ein klares Bild, dass der Angeklagte zweifellos der Täter war.

Es war aber keineswegs nur das Auf und Ab vor den Gerichten, dass den Fall so spannend machte. Schon die Ausgangslage war aufsehenerregend. Michael B. praktizierte als Frauenarzt seit 2012 in Erding, davor war er in Bremen und Osnabrück Chefarzt an katholischen Kliniken gewesen. Er und seine Frau fanden in Erding vor allem Kontakte über den Rotary Club, wo er als so genannter Klubmeister des Elite-Vereins fungierte. Das soziale Prestige eines Frauenarztes mit Professorentitel mag ganz erheblich dazu beigetragen haben, dass die Ermittlungen zum gewaltsamen Tod seiner Frau desaströs schlecht anliefen.

Weder der Notarzt noch die Streifenbeamten, die als erste am Tatort waren, sahen Hinweise auf ein Verbrechen. Sie ließen sich ebenso wie die Beamten des Kriminaldauerdienstes, die die polizeiliche Leichenschau vornahmen, auf eine absichtlich gelegte falsche Fährte führen. Am Tatabend war sie alle der Auffassung, die Ehefrau sei in betrunkenem Zustand unglücklich gestürzt, so dass sie sich tödlich verletzte. Erst die Obduktion - die beinahe nicht vorgenommen worden wäre - zeigte das Ausmaß brutaler Gewalt, mit der das Opfer umgebracht worden war.

Michael B. hatte, davon waren die Richter letztlich überzeugt, den Tatort präpariert: Es muss Blutspuren, die eine Prügelorgie sofort hätte erkennen lassen, weggeputzt haben. Er ließ offenbar nur eine Blutlache am Kopf der Leiche und dreht den leblosen Körper so, dass man die Verletzungen durch die Schläge im Gesicht und die Blutergüsse am Hals nicht sofort erkennen konnte. Eine leere Weinflasche und ein halb umgekippter Stuhl ergänzten das Bild eines vermeintlichen Sturzes einer Alkoholikerin. Nach der Tat, die mittags stattgefunden haben muss, war Michael B. in seine Praxis gefahren und hatte, scheinbar in aller Ruhe, stundenlang Patientinnen behandelt. Abends zurück zu Hause klingelte er heulend bei einem Nachbarn, der dann die Polizei rief.

Das Motiv, der Anlass und die Ursache des offensichtlich tödlichen Streits ließen sich vor Gericht nur vage beleuchten und blieben offen. Ein psychiatrischer Gutachter befand es als unwahrscheinlich, dass die Eheleute über die Alkoholsucht der Frau so aneinander geraten seien, dass Michael B. sie im spontanen Hass umbrachte. Auch ein Streit über seine kaputte Beziehung zu seinen vier Kindern aus erster Ehe sei kaum als Grund einer mörderischen Auseinandersetzung wahrscheinlich.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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