TSV Erding:Verträge sind schon längst gekündigt

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In den letzten beiden Begegnungen gegen den EV Füssen hatten vier Spieler und der Trainer keine gültigen Verträge mehr. (Foto: Peter Bauersachs)

Ein "unglaublicher" Vorgang, sagt Trainer John Samanski: Vor den letzten beiden Spielen hatte der TSV Erding die Kontrakte mit vier Leistungsträgern und dem Coach aufgelöst. Jetzt sind Rechtsanwälte eingeschaltet.

Von Florian Tempel, Erding

Am Sonntag vor einer Woche war noch Riesenstimmung im Erdinger Eisstadion. Die Fans bejubelten die Gladiators, die mit einem 8:4-Sieg im fünften Playdownspiel gegen den EV Füssen den sportlichen Klassenerhalt in der Oberliga Süd geschafft hatten. Was die freudig erregten Zuschauer nicht wussten: Das Präsidium des TSV Erding hatte schon zu diesem Zeitpunkt offenbar keine Zukunft mehr für die Gladiators in der dritthöchsten deutschen Spielklasse gesehen.

Dass es in der kommenden Spielzeit in Erding kein semiprofessionelles Eishockey mehr geben soll, ist durch einen außerordentlichen Vorgang manifestiert worden: Gladiators-Coach John Samanski und vier Leistungsträger seiner Mannschaft hatten schon am Tag vor dem vierten Playdownspiel, am 12. März, von Abteilungsleiter Bernd Karbach Kündigungen in die Hand gedrückt bekommen. Ihre eigentlich noch einige Monate laufenden Verträge sind einseitig und vorzeitig zum 14. April aufgelöst. Das heißt auch: Samanski stand bei zwei Partien als Trainer hinter der Bande und seine Spieler legten sich auf dem Eis ins Zeug, obwohl man ihnen ihre vertraglich zugesicherten Gehaltszahlungen eben zuvor gestrichen hatte.

Mit der Nichtauszahlung von einigen tausend Euro Trainer- und Spielgehältern soll "die Schadenssumme begrenzt werden", rechtfertigt Hermann Meilinger, zweiter Stellvertreter von TSV-Präsident Günter Weidenhammer, die Vertragskündigungen. Meilinger sagt auch, er habe "das Rumgeeiere satt". Die mittlerweile vorliegende wirtschaftliche Saisonbilanz zeige, dass das Erdinger Eishockey zum dritten Mal in einem finanziellen Fiasko geendet sei: "Das ist die dritte Pleite, die ich mitmache." 1999 schloss die Eishockeyabteilung mit einem Minus von 75 000 Euro ab. 2012 musste der TSV Erding ein 80 000 Euro-Darlehen aufnehmen, um die Eishockey-Verluste auszugleichen.

Die Abteilungsleitung hat während der Playdownserie zu Spenden für die Gladiators aufgerufen. Bislang sind etwa 8500 Euro gesammelt worden. Die Aktion läuft im Internet unter dem Titel "Rettet das Erdinger Eishockey!" weiter. Als Ziel hat man sich 60 000 Euro gesetzt.

Ob das die Höhe des aktuellen Defizits ist, will Meilinger nicht verraten. Nur so viel: "Wir haben jetzt Zahlen und Fakten, die unumstößlich sind." Die Bilanz der Eishockeyabteilung bestätige die seit Monaten kursierenden Gerüchte, "dass es scheiße aussieht". Er sehe "momentan keine Zukunft" für die Gladiators in der Eishockey-Oberliga. Das heißt: In der kommenden Spielzeit müssten die Gladiators in der Bezirksliga, drei Klassen tiefer als bislang, auf absolutem Amateurniveau einen Neuanfang machen. Die endgültige Entscheidung trifft der TSV-Vereinsrat am 14. April.

Da Meilinger Klartext spricht, redet auch Gladiators-Trainer Samanski über die Kündigung seines Vertrags. Der 52-Jährige hat in seiner Karriere als Profispieler und Eishockeytrainer schon einiges erlebt - "aber so etwas noch nie". Die Kündigung sei ein "unglaublicher" Vorgang. Dass die Saison für die Gladiators finanziell so schlecht gelaufen ist, liege nicht in seiner Verantwortung: "Ich habe meinen Job gemacht." Dass er und einige der besten Spieler für die Fehler der Abteilungsleitung bezahlen sollen, "das geht einfach nicht". Samanski und die betroffenen Spieler haben sich einen Rechtsanwalt genommen und wollen die Kündigungen anfechten.

Der TSV Erding hat ebenfalls einen Anwalt eingeschaltet. "Wir selbst sind arbeitsrechtlich nicht fit", räumt Meilinger ein, "wir wollen uns beraten lassen". Falls mit den Kündigungen "irgendwas nicht passen sollten, wollen wir uns mit den Herrschaften gütlich einigen".

Das hohe Defizit in der Eishockey-Abteilung ist laut Meilinger so zu erklären: Abteilungsleiter Karbach habe viel zu optimistische Zuschauerzahlen angesetzt. In der Prognose-Kalkulation, die dem TSV-Präsidium vor Saisonbeginn vorgelegt wurde, seien die Dauerkarteninhaber mitgerechnet worden - "das war der große Fehler". Letztlich habe der angenommene Durchschnitt von 150 bis 200 Zuschauern unter dem tatsächlichen Publikumsinteresse gelegen. Abteilungsleiter Karbach habe, so Meilinger, die Hoffnung auf eine Rettung jedoch noch nicht aufgegeben. Karbach habe "etwas ganz Neues" angekündigt, wie man die Verluste doch noch weg kriegen könne. Das sei aber "geheime Kommandosache" und werde dem Vereinsrat des TSV Erding erst am 14. April vorgestellt. Er, so Meilinger, bleibe skeptisch.

Im Erdinger Eisstadion sind seit Sonntagnacht die Kühlanlagen ausgeschaltet. Die Halle ist geschlossen, das Eis taut jetzt langsam ab. In zwei Wochen wird der letzte Rest des Eises weg sein.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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