Stellvertretende Warteraum-Chefin Nina Solke:Die Managerin

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Zuerst ging Nina Solke in die Wirtschaft, doch bald hat sie für Hilfsorganisationen in den Krisenregionen dieser Welt gearbeitet. Jetzt ist sie stellvertretende Leiterin des Warteraums Asyl am Fliegerhorst

Von Florian Tempel, Erding

Sie war vom ersten Tag an dabei, seit der Warteraum Asyl am Erdinger Fliegerhorst am 19. Oktober 2015 seinen Betrieb aufgenommen hat. Nina Solke leitete zunächst das Team im Welcome-Zelt des Roten Kreuzes, wo die neu angekommenen Flüchtlinge gewissermaßen zum Check-In kommen für ihren Aufenthalt im Kurzzeitcamp. Seit dem 18. Januar ist Solke die Stellvertreterin von Camp-Leiter Volker Grönhagen, nun als Angestellte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, nicht mehr als Mitarbeiterin des Roten Kreuzes.

Solke ist in Ostwestfalen, in der Nähe von Bielefeld aufgewachsen und lebte zuletzt auch dort, bevor sie im vergangenen Herbst nach Erding kam. Dazwischen aber war sie viele Jahre lang im Ausland. Das ging schon beim Studium der Betriebswirtschaft los, das sie auch in den Niederladen, den USA und Frankreich absolvierte. Nach dem Examen begann sie 2002 ihre berufliche Laufbahn in Südafrika, als Trainee bei Daimler-Chrysler. Für eine Betriebswirtschaftlerin ein Traumstart ins Berufsleben, ein Job gleich bei einem deutschen Weltkonzern und dazu noch in einem spannenden und attraktiven Land auf der Südhalbkugel. Doch nach nur einem Jahr schlug Solke einen anderen Weg ein, einen gänzlich anderen als den einer klassischen Manager-Laufbahn. Solke ging für die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen nach Mosambik, um in dem ostafrikanischen Land als Logistikerin beim Aufbau von Aids-Hilfsprogrammen mitzuarbeiten.

Nach Jahren der adrenalin-stimulierenden Arbeit in Kriegsgebieten hat sich Nina Solke nach einem weniger gefährlichen Leben in Deutschland gesehnt. (Foto: Peter Bauersachs)

Nach einem Jahr war das Projekt in Mosambik für Solke abgeschlossen. Sie machte bei Ärzte ohne Grenzen weiter, nun aber im Internationalen Büro in Genf. Nach der Tsunami-Katastrophe 2004 war sie für einige Wochen in Asien, danach wieder in der Schweiz, um längerfristige Hilfsprogramme mit vorzubereiten. Denn die Organisation hatte nach dem Tsunami die Riesensumme von 100 Millionen Euro an Spenden erhalten, eine sehr große und so noch nie da gewesene Menge Geld. Da Ärzte ohne Grenzen jedoch normalerweise akute Hilfe leisten und diese in Asien irgendwann abgeschlossen war, ging es darum, was nun mit den Spenden passieren sollte. Solke ist stolz darauf, wie man damals bei Ärzte ohne Grenzen mit der Situation umging. Die Spender erhielten eine Rücküberweisung von einem Cent, mit einem großen Dankeschön und dem Hinweis, sie könnten ihre gesamte Spende zurückerhalten, wenn sie nur für akute Hilfe spenden wollten, aber auch den Informationen, wie das Geld ansonsten für langfristige Projekte verwendet werden würde. Eine tolle vertrauensbildende Maßnahme.

Solke selbst bewarb sich nach ihrer Zeit bei Ärzte ohne Grenzen beim Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK), das seinen Hauptsitz ebenfalls in Genf hat. Das IKRK ist der Teil der Rot-Kreuz-Bewegung, die in Kriegen und Bürgerkriegen in aller Welt als Hilfsorganisation aktiv ist, was gewissermaßen die Ursprungsidee des Roten Kreuzes ist. Wenn man dieser Tage im Fernsehen sieht, wie Hilfslieferungen die ausgehungerte Zivilbevölkerung in einer zwischen den Fronten eingeschlossenen syrischen Stadt erreichen, dann sind das nicht selten Lastwagen des IKRK, die das geschafft haben. Solkes erste Stelle beim IKRK war aber gewissermaßen ein Job im Innendienst. Sie war damit beschäftigt, bei der effizienten Strukturierung und Koordinierung der über die ganze Welt verstreuten Standorte mitzuarbeiten.

Nach einer kurzen Arbeitspause und Rückkehr nach Deutschland ging Solke dann jedoch für mehrere Jahre für das Internationale Komitee des Roten Kreuzes in verschiedenen Ländern in Auslandseinsätze. Sie war in Afghanistan, in Guinea, in Libyen, anschließend ein Jahr im Kongo und schließlich noch in Mali und Niger. In all diesen Ländern arbeitete Solke, während dort bewaffnete Konflikte tobten. Sie kann über ihre Aufenthalte in jedem dieser Krisenländer ungemein spannende Geschichten erzählen. Von Rebellengruppen in der Region um den Kivu-See im Kongo oder wie es in Tripolis in den Tagen nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi war. Die Arbeit in Kriegsgebieten ist so adrenalin-stimulierend, dass es niemanden wundern muss, wenn man irgendwann sich nach einem ruhigeren und weniger gefährlichen Leben sehnt. Auch bei Solke war das so. Sie quittierte den Dienst beim IKRK und ging zurück nach Deutschland, um hier ein Aufbaustudium zu absolvieren, in zwei Jahren zum Master of Business Administration im Spezialgebiet Nachhaltigkeits-Management. Dann kam die Flüchtlingskrise und Solke erkannte, dass sie ihre alten und neuen Qualifikationen nunmehr in Deutschland einbringen konnte.

Im Erdinger Camp sind seit seiner Eröffnung bald 100 000 Menschen angekommen. Dass Ankommen in Deutschland auch für andere keine einfache Sache ist, ist etwas, das Solke ganz persönlich kennt. Sie selbst hat vor zwei Jahren einen Integrations-Kurs mitgemacht, zusammen mit anderen ehemaligen IKRK-Mitarbeitern. Der war notwendig für sie. Denn nach so vielen Jahren in Kriegs- und Krisengebieten, ist ein Leben in Deutschland doch ganz was anderes. Ihr Mentor im IKRK-Kurs, ein libanesischer Chirurg, der in einem kleinen Ort in der Schweiz lebt, hat ihr damals eine kleine Weisheit mitgegeben. Wenn ihn seine Schweizer Mitbürger in seinem Dorf fragten, wo er den her sei, antwortete er: "Ich bin von hier." So will es Solke auch halten. Sie sucht eine Wohnung in Erding.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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