Sankt Wolfgang:Nationaler Marktführer

Lesezeit: 2 min

Jede zweite deutsche Klinik arbeitet mit Software aus St. Wolfgang

Von Florian Tempel, Sankt Wolfgang

Beim Auftakt des Sankt Wolfganger Dorffests werden heute Abend auch zahlreiche Mitarbeiter aus vielen deutschen Krankenhäusern dabei sein. Nicht als Notfallreserve für eventuelle medizinische Einsätze in den Festzelten und auch nicht, weil sie vom Ruf des "wohl legendärsten Dorffests der Welt" angezogen worden wären. Sie sind vielmehr beruflich in der Gemeinde, um sich zwei Tage lang bei den 5. Sankt Wolfganger Krankenhaustagen fortzubilden. 300 Mitarbeiter von 170 Kliniken aus allen Bundesländern - Mediziner, Pfleger und aus der Klinikverwaltungen - besuchen dabei mehr als 120 Workshops, bevor sie es sich auf dem Dorffest gemütlich machen dürfen. Denn in einer Hinsicht ist die Ausstrahlung des Dorfes tatsächlich enorm: In jeder zweiten deutschen Klinik läuft die Datenverarbeitung mit Software aus Sankt Wolfgang.

1989 kam der Unternehmer Werner Unterhaslberger mit seiner damaligen Firma Data Solutions nach Sankt Wolfgang. Sechs Jahre zuvor hatte er, noch als Student der Betriebswirtschaft, in Buch am Buchrain ein Software-Unternehmen gegründet. Sein erstes Produkt war ein Programm für die kommunale Finanzverwaltung, das er unter anderem an die Stadt München und die Gemeinde Sankt Wolfgang verkaufen konnte. Während eines Studentenjobs bei der längst untergangenen Nixdorf Computer AG hatte er erstmals mit spezieller Krankenhaus-Software zu tun gehabt. Er erkannte Bedarf und Marktchance - und spezialisierte sich.

Unterhaslbergers Firma Data Solutions wuchs beständig. Zweimal baute er in Sankt Wolfgang an, bis er sein Unternehmen 1998 an den US-amerikanischen IT-Konzern SMS verkaufte. Der Standort und die Arbeitsplätze in Sankt Wolfgang blieben bestehen, auch als später SMS komplett von Siemens geschluckt wurde. Siemens verkaufte schließlich vor einem halben Jahr seine vollständige Medizin-IT-Sparte an den aktuellen Weltmarktführer für Klinik-Software, den börsennotierten US-Konzern Cerner. Seitdem firmiert die Sankt Wolfganger Softwareschmiede wieder einmal unter einem neuem Namen.

Unterhalsberger hatte sich nach dem Verkauf seiner ursprünglichen Firma aber nicht zurückgelehnt, sondern ein weiteres Unternehmen aufgemacht: die UHB Consulting, gleich neben dem älteren Gebäude, vor dem nun die Cerner-Fahnen wehen. Beide Firmen zusammen kommen auf mehr als 200 Mitarbeiter. Mit Stolz verweist Unterhaslberger auch darauf, dass in den von ihm gegründeten Unternehmen im Laufe der Jahre 250 Frauen und Männer Ausbildungen in verschiedenen Berufen gemacht haben.

Die in Sankt Wolfgang entwickelte Software bietet IT-Lösungen für alle Bereiche eines Krankenhauses: Von der Verwaltung der Patientendaten und den Abrechnungen mit den Krankenkassen über die eigene Buchhaltung und Finanzrechnung der Klinik bis hin zur Dokumentation und Kommunikation aller ärztlichen Befunden und Pflegemaßnahmen. Man kann es so vergleichen: Wie SAP Komplettlösungen für Unternehmen aller Art liefert, benutzen die Hälfte aller Krankenhäuser in der Bundesrepublik die umfassenden Spezial-Programme aus der Gemeinde mit dem legendären Dorffest.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: