Rückblick:Eine neue Herausforderung

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Die Kommunen im Landkreis Erding schaffen genügend Wohnplätze für Flüchtlinge, Turnhallen müssen nicht belegt werden. Das Camp Shelterschleife am Fliegerhorst ist dagegen nur eine Durchgangsstation

Von Antonia Steiger, Erding

Politik und Bürgerschaft im Landkreis Erding haben gelernt, dass kommunale Flüchtlingspolitik mehr sein kann - und mehr sein muss - als die Suche nach Unterkünften: Im Camp am Fliegerhorst kamen seit Mitte Oktober mehr als 50 000 Flüchtlinge an. Hier werden sie mit dem Nötigsten versorgt, dann geht es weiter in eine Gemeinde irgendwo in Deutschland, wo sie einen Asylantrag stellen. Das Camp Shelterschleife funktioniert. Ein Erfolg von Rettungsorganisationen, Soldaten und Ehrenamtlichen. Im Landkreis leben aber auch knapp 1300 Flüchtlinge und durchlaufen hier das Asylverfahren. Eine Turnhalle musste für ihre Unterbringung noch nie genutzt werden. Ein Erfolg der Kommunalpolitik.

Weder Landrat Martin Bayerstorfer noch Oberbürgermeister Max Gotz, beide CSU, oder die Bürger sind gefragt worden, bevor der Bund am Fliegerhorst ein Camp eingerichtet hat, in dem Flüchtlinge aufgenommen werden, um die Registrierungszentren an der Grenze zu entlasten. Stadt und Landkreis waren auf einmal in den Fokus der bundesweitern Flüchtlingspolitik gerückt. In Erding werden die Geflüchteten registriert, dann geht es weiter in eine Erstaufnahmeeinrichtung. Manche lassen sich in Erding nicht registrieren, sondern ziehen auf eigene Faust weiter. Andere lassen sich registrieren - und verlassen dann das Camp, weil sie wissen, wo sie hin wollen: zu ihren Verwandten in einem anderen Teil Deutschlands oder Europas. In der Kommunalpolitik hat dies für heftige Diskussionen gesorgt: Vor allem Landrat Bayerstorfer trat dafür ein, dass sich die Flüchtlinge umgehend und unbedingt registrieren lassen müssten. Wer nicht mitwirke bei der Feststellung seiner Identität, müsse in Haft, meinte Bayerstorfer. Eine Auffassung, mit der er es ins Fernsehen in die Talkshow Maybrit Illner geschafft hat. Das war im November. Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt. Die Zahl der Flüchtlinge, die sich nicht registrieren lassen, ist gesunken. Volker Grönhagen, Leiter des Camp, sagt, ihre Zahl liege zwischen fünf und acht Prozent. Etwa zehn Prozent der Flüchtlinge verließen nach ihrer Registrierung auf eigene Faust das Camp.

Grönhagen ist seit Ende November Leiter des Camps. Er wird unterstützt von Soldaten, dem Deutschen Rotem Kreuz, vom Technischem Hilfswerk - und von der Flüchtlingshilfe Erding mit etwa 400 Mitgliedern, die vor Ort helfen. Bei der Versorgung der Flüchtlinge sind sie auf die Spendenbereitschaft der Bürger angewiesen.

Es gab aber auch eine Zeit vor dem Camp Shelterschleife. Damals drehte sich die Flüchtlingspolitik im Landkreis vor allem die Frage, ob die Gemeinden genügend Wohnplätze zur Verfügung stellen können. Es war schon von einer Quote war die Rede, doch im Gegensatz zu anderen Landkreisen müssen in Erding keine Turnhallen in Beschlag genommen werden, die Kommunen konnten genügend Platz schaffen. Und auch hier gibt es eine schier grenzenlose Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung: Unter dem Dach der Arbeitsgruppe Asyl kümmern sich die Bürger vor Ort in kleineren Einheiten um die Menschen, die auf einmal ihre Nachbarn geworden sind und ihre Hilfe brauchen.

Bald wird es auch die ersten Gemeinschaftsunterkünfte im Landkreis geben: Das frühere Gasthaus Stiller in Lindum, das der Dorfener Unternehmer Georg Scharl umbauen lässt, und die künftige Unterkunft in Oberding sollen im März fertig werden und werden dann an die Regierung von Oberbayern vermietet, in deren Verantwortung alle Gemeinschaftsunterkünfte in Oberbayern liegen. Landrat Bayerstorfer vertritt zudem die Auffassung, dass der Landkreis mit dem Camp Shelterschleife bereits sehr viel leiste. Er fordert, dass dies dem Landkreis und seine 26 Kommunen angerechnet werde, sprich: dass dem Landkreis weniger Flüchtlinge zugewiesen werden. Zum gleichen Zweck wies Bayerstorfer darauf hin, dass der Landkreis bereits zwei Mal mit einer vorübergehenden Erstaufnahmeeinrichtung der Regierung von Oberbayern zur Seite gesprungen sei: Die Turnhalle der Berufsschule war wie 2014 für mehrere Wochen gesperrt, weil Flüchtlinge ein Dach benötigt hatten.

© SZ vom 30.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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