Patienten-Petition:Angst vor den Riesen

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Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist, kann sofort einen haben, sagt Geschäftsführer Konrad Rauffer. Außer man ist DAK-Mitglied. (Foto: Renate Schmidt)

Flächendeckende Ausschreibungen von Krankenkassen drängen die kleineren Sanitätshäuser ins Abseits. Noch vier Wochen läuft eine Petition, mit der Patienten für eine wohnortnahe Versorgung kämpfen können

Von Wolfgang Schmidt, Erding

Wer dieser Tage das Sanitätshaus "Orthosan Plochmann" betritt, trifft schon am Empfang auf Unterschriftenlisten, die Geschäftsführer Konrad Rauffer dort ausgelegt hat. Circa 8000 Unterschriften fehlen bundesweit noch an den 50 000, die nötig sind, damit die Petition gegen "Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich mit hohem Dienstleistungsgrad" erfolgreich abgeschlossen wird und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe das Begehr vorgetragen werden darf. "Das heißt noch gar nichts", weiß Rauffer. Ist aber immerhin mehr als nichts. Initiiert wurde die Aktion, die auch online läuft, von einem hessischen Sanitätshaus, dessen Inhaber Gerhard Marx die gleiche Angst hegt wie der Geschäftsführer im oberbayerischen Erding: dass am Ende dieser Entwicklung die kleinen und mittleren Unternehmen wie die Plochmann GmbH mit ihren circa 20 Mitarbeitern von wenigen Riesen vom Markt gedrängt werden.

Ganz konkret geht es um eine Aktion der DAK. Die Krankenkasse hat Rollstühle, Rollatoren und Badelifter ausgeschrieben, und zwar für das gesamte Postleitzahlengebiet "8". Ausschreibungsgewinner ist die Firma "Sanimed", eine Tochter der Hartmann-Gruppe. Das Postleitzahlengebiet war das kleinste Los der Ausschreibung - für einen verhältnismäßig kleinen Betrieb wie die Plochmann GmbH ist das aber gleich ein paar Nummern zu groß.

Angefangen hat diese Praxis vor Jahren mit Inkontinenzartikeln, sagt Rauffer. Damals hatte die Barmer ausgeschrieben. Südbayern war ein Los und Nordbayern ein zweites. Neben der Übergröße des Gebiets sei zusätzlich der "Preis so ruinös" gewesen, dass man zu diesen Konditionen keine vernünftige Ware liefern könne, sagt Rauffer. Wenn dann Südbayern von einer Firma aus Berlin bedient wird, fällt eine persönliche Beratung naturgemäß schwer. Aber es gibt ja das Telefon. Und um Transportkosten zu sparen, lohnt es sich dann, gleich den Bedarf für zwei, drei Monate per Paketdienst zu schicken. "Die Leute bekommen die Schachteln vor die Tür geknallt und wissen gar nicht, wo sie das Zeug verstauen sollen", sagt Rauffer. Am Anfang habe sich jeder dritte Kunde bei der Barmer beschwert, weiß er.

Das Verfahren, das jetzt zwischen der DAK und "Sanimed" abläuft, ist für Rauffer ein absoluter Verdrängungswettbewerb. "Die ziehen das ein paar Jahre durch, bis sie alleine auf dem Markt sind", fürchtet er. Ausschlaggebend für die Kasse sei immer nur der Preis, nicht die Qualität. "Sanimed" habe vorher keine Rollstuhlversorgung gemacht. "Ich weiß nicht, wie die das schaffen wollen", sagt Rauffer. Die Versorgungsdauer werde sich hinziehen und bei einer Reparatur noch einmal wesentlich länger dauern.

Die DAK mache für die anderen den Vorreiter - Rauffer will auch nicht kategorisch ausschließen, dass es in den verschiedenen Bereichen sogar Absprachen unter den Kassen geben könne. Auf alle Fälle aber, da ist er sich ganz sicher, beobachten sie sich gegenseitig. Und wenn das Verfahren erfolgreich läuft - verbunden mit wenig Widerspruch - dann zögen die anderen nach. Rauffer sagt: "Wenn AOK und Barmer das genau so machen, dann müssen wir Leute entlassen."

Die Konzentration auf einige wenige Unternehmen geschehe ja nicht nur zum Nachteil der Firmen, sondern auch zum Schaden der Versicherten, "wenn die Infrastruktur kaputt gemacht wird". Und eines ist für Rauffer auch klar: Die vermeintlich billigste Versorgung hat im Nachhinein oft Folgekosten - bis hin zum Krankenhausaufenthalt.

Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik unterstützt die Petition und hat dazu auch eine Patienteninformation herausgebracht. Darin heißt es: "Flächendeckende Ausschreibungen durch Krankenkassen führen mittelfristig dazu, dass die wohnortnahe Versorgung mit Hilfsmitteln durch Sanitätshäuser mittelfristig unmöglich wird." Die Petition läuft noch vier Wochen.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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