Nominieren und taktieren:Ja, ich nehme die Wahl an

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Ulrike Scharf wird wieder antreten. "Das ist mein Wunsch", sagt die bayerische Umweltministerin - und nicht nur ihrer. Der Kreisvorstand der CSU hat in dieser Woche einstimmig beschlossen, sie den Delegierten als Direktkandidatin zum empfehlen. (Foto: Renate Schmidt)

Die Parteien suchen ihre Kandidaten für die Landtagswahl in einem Jahr. So sicher Umweltministerin Ulrike Scharf wieder Abgeordnete werden wird, so ungewiss sind die Aussichten für alle anderen Bewerber

Von Florian Tempel, Erding

Noch hat keine Partei ihre Kandidaten für die Landtagswahl im September 2018 nominiert. Doch die Bewerber stehen schon bereit. Natürlich wird Ulrike Scharf wieder antreten. "Das ist mein Wunsch", sagt die bayerische Umweltministerin. Und es ist nicht nur ihrer. Der Kreisvorstand der CSU hat in dieser Woche einstimmig beschlossen, sie den CSU-Delegierten, die voraussichtlich im März 2018 zur Nominierungsversammlung zusammen kommen werden, als Direktkandidatin zum empfehlen. Doch auch wenn alles schon so gewiss und fest ausgemacht aussieht, ziemt es sich für Scharf nicht, bereits jetzt von sich als Kandidatin zu sprechen: "Für mich gehört immer die Legitimation durch die Delegiertenversammlung dazu." Dass sich zum Beispiel der Münchner Bürgermeister Josef Schmid (CSU) in dieser Woche ganz selbständig und alleine zum Landtagskandidaten ausgerufen hat, missfällt Scharf.

Thomas Schreder will es noch mal versuchen.

Zurückhaltung zu zeigen, ist auch deshalb angebracht, weil die CSU-Direktkandidatin nach der Nominierung tatsächlich so gut wie schon wiedergewählt sein wird. Sobald die CSU-Delegierten Scharf zu ihrer Kandidatin gekürt haben werden, darf sie sich ihres Sitzes im Maximilianeum sicher sein. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass ein Kandidat einer anderen Partei ihr das Direktmandat im Landkreis Erding streitig machen könnte. Selbst wenn sie etliche Prozentpunkte schlechter als 2013 abschneiden sollte, würde es reichen. Die Nicht-CSU-Wähler werden ihre Stimmen auf viele andere Kandidaten verteilen. Denn fast jede Partei sieht es als richtig und notwendig an, einen eigenen Direktkandidaten aufzustellen, egal wie aussichtsreich dieser ist. Denn das spezielle System der bayerischen Landtagswahlen fordert und fördert Direktkandidaten in besonderem Maße.

Bei der Landtagswahl hat jeder Wähler zwei Stimmen. Im Gegensatz zur Bundestagswahl werden bei jedem Kandidaten am Ende aber Erst- und Zweitstimmen zusammengezählt. Erst die Gesamtstimmenzahl ist letztlich ausschlaggebend. Ein reiner Listenkandidat hat es deshalb enorm schwer. Sogar - oder besonders - wenn er für die CSU antritt. Der Erdinger Thomas Schreder will es nach 2013 noch einmal versuchen. Auch er ist vom Kreisvorstand einstimmig als Kandidat empfohlen worden. Er hofft darauf, dass er sich über seine Arbeit im bayerischen Jagdverband einen gewissen Bekanntheitsgrad erarbeitet hat. Schreders Strategie muss so aussehen: Voraussichtlich kommen alle CSU-Direktkandidaten in den Landtag. Wenn es richtig gut läuft, könnte er der beste reine Zweitstimmenkandidat der CSU werden und wäre damit erster Nachrücker, sobald ein oberbayerischer CSU-Abgeordneter aus dem Landtag ausscheidet. Tatsächlich ist das für Schreder wohl die einzige realistische Option, - nach einer gewissen Wartezeit - ins Maximilianeum zu kommen.

Zu wenig Einwohner im Landkreis

Von den 17 Frauen und Männern, die 2013 im Landkreis Erding als Direkt- oder Listenkandidaten antraten, blieb Scharf die einzige, die ihr Ziel erreichte. Das bayerische Landtagswahlsystem bevorzugt Kandidaten, die in München oder in einwohnereichen Landkreisen antreten. Helga Stieglmeier, die 2013 für die Grünen im Landkreis Erding antrat, hat diese Erfahrung machen müssen. Sie ging mit viel Elan als Direktkandidatin und auf Platz neun der oberbayerischen Liste in ihre Kandidatur. Die Sprecherin des Aktionsbündnisses Aufgemuckt hoffte als bekannte Startbahngegnerin auf reichlich Zweitstimmen aus ganz Oberbayern. Es war ein ernsthafter und sehr selbstbewusster Versuch.

Die Grünen mieteten sogar schon zentral gelegenen Räume in Erding an, die Stieglmeier nach der Wahl auch als Abgeordnetenbüro hätte dienen können. Doch am Ende musste sie feststellen, dass andere Grünen-Kandidaten in größeren Stimmkreisen schon viel mehr Erststimmen sammeln konnten. "Es hat hinten und vorne nicht gereicht", räumt Stieglmeier ein. Die Erwartungen, dass die Erdinger Grünen im Herbst 2013 ihren Kandidaten nach München bringen, sind deshalb gedämpft. Dennoch wird es wieder einen oder eine Direktkandidatin geben. Wer es ist, wird noch nicht verraten. Nur so viel steht fest: Am 11. Dezember ist die Nominierungsversammlung. Das ist vergleichsweise früh. Doch schon im Januar soll die oberbayerische Grünen-Liste aufgestellt werden. Man könnte noch einen reinen Zweitstimmenkandidaten aus Erding auf die Liste bringen. Doch das lassen die Grünen lieber gleich bleiben.

Hildegard Kronawitter schaffte es, andere nicht

Man muss eben ziemlich prominent sein, um über Zweitstimmen den Sprung in den bayerischen Landtag zu schaffen. Hildegard Kronawitter, die Frau des ehemaligen Münchner Oberbürgermeisters Georg Kronawitter, ist das 1998 und 2003 gelungen. Die Stimmen, die sie als SPD-Direktkandidatin im Landkreis Erding erhielt, wurden durch die vielen Zweitstimmen für sie noch übertroffen. Kronawitter, die ja eigentlich Münchnerin ist, war also als Importkandidatin in Erding angetreten. Ein tolle Idee. Doch beim zweiten Versuch mit einer externen Kandidatin scheiterte die SPD bei der Landtagswahl 2013 kläglich.

Die Münchner Ärztin Elif Cindik-Herbrüggen holte ein miserables Erststimmenergebnis im Landkreis und auch nur wenige Zweitstimmen im restlichen Oberbayern. Bei der Wahl 2018 wird die SPD schon wegen dieser schlechten Erfahrungen wieder einen Kandidaten aus den eigenen Reihen aufbieten. "Aus meiner Sicht ist es die bessere Wahl, wenn sich der oder die Kandidatin vor Ort auskennt", sagt der Kreisvorsitzende der SPD, Martin Kern. In diesen Tagen wird sich der Kreisvorstand beraten. Natürlich hat es schon Vorgespräche gegeben, sagt Kern, der Kreis der möglichen Interessenten sei doch "eher überschaubar". Doch auch bei der SPD hält man sich bedeckt, gibt keinen Namen preis. Dennoch ist es wohl nicht ganz abwegig, anzunehmen, dass Martin Kern der SPD-Direktkandidat für die anstehende Landtagswahl sein könnte. Auf einen reinen Listenkandidaten, so viel verrät Kern, werde die SPD wohl verzichten. Es gebe eine andere Überlegung: Man wird wohl eine Zweitstimmenempfehlung für die Ebersberger Abgeordnete Doris Rauscher aussprechen.

Die FDP wähnt sich im Aufwind

Taktik- und Strategieüberlegungen kümmern den FDP-Vorsitzenden im Landkreis, Thomas Schuster, derzeit herzlich wenig. Bei den Liberalen ist aktuell nur gute Laune angesagt: "Wir sind im Aufwind, und das merkt man deutlich." Die FDP im Landkreis hat zwar nur knapp 50 Mitglieder, es gebe aber keine Probleme, zwei Kandidaten für die Landtagswahl zu finden. Einer werde Direktkandidat und ein zweiter ergänze die FDP-Liste, kündigt Schuster an. "Uns geht es richtig gut zur Zeit." Nicht nur weil die Wähler ihr Kreuz wieder bei der FDP machen, sondern auch weil die Mitglieder sich wieder mit neuem Schwung in der Parteiarbeit und bei Wahlen einbringen wollen.

Die Freien Wähler haben, auch wenn sie das selbst nicht wahrhaben wollen, hingegen ein Problem. Aus der Bundestagswahl oder Landtagswahlen in anderen Bundesländern lässt sich für sie gar nichts ablesen. Die Freien Wähler dümpeln vor sich hin und wissen gar nicht so recht, was auf sie zukommt. Der Kreisvorsitzende Rainer Mehringer hat unlängst bei einer FW-Versammlung dazu aufgerufen, dass sich möglichst Kandidaten für die Landtagswahl finden lassen sollten. Das klingt doch sehr behäbig. Aber sicher wird es klappen. Auch wenn den Erdinger Freien Wähler wie den anderen Nicht-CSU-Parteien klar ist, dass die Erfolgsaussichten ihrer Kandidaten gering sind.

Die AfD sortiert sich neu

Die AfD ist nach ihrem guten Abschneiden bei der Bundestagswahl euphorisiert. Bevor ein Erdinger AfD-Direktkandidat nominiert werden kann, muss sich die Partei im Landkreis aber erst einmal neu organisieren. Wolfgang Kellermann, der früher für die Republikaner im Erdinger Stadtrat saß, ist derzeit Schriftführer des AfD-Kreisverbands Erding-Ebersberg. Diese Struktur war für die Bundestagswahl in Ordnung, da die beiden Landkreise einen Bundestagswahlkreis bilden. Für die Landtagswahl werde es nun Zeit, sich in zwei eigene Kreisverbände zu splitten, sagt Kellermann. Das soll spätestens Anfang nächsten Jahres passieren. Ob er dann Kreisvorsitzender wird oder Landtagskandidat oder beiden? Dazu will Kellermann nichts sagen. Nur das: "Ich kündige an, dass wir definitiv einen Direktkandidaten präsentieren werden."

Die Republikaner, Kellermanns frühere Partei, werden das wohl nicht mehr tun. Sie werden wohl gar nicht mehr antreten. Das sagt der Taufkirchener Martin Huber, Bezirksvorsitzender in Oberbayern. Er war 2013 noch Spitzenkandidat der Republikaner, zwei weitere Kandidaten aus dem Landkreis waren auch noch auf der Rep-Liste. Doch nun, sagt Huber, gehe es aus einem ganz einfach Grund nicht mehr: "Ohne Moos nichts los." Seine Partei habe einfach kein Geld mehr für einen Wahlkampf, und so mache das keinen Sinn. Und außerdem, sagt er, geben es ja auch andere nationalkonservative Parteien, die man wählen könne: "Die habe ja sogar unsere Parteifarbe übernommen."

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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