Neujahresempfang am Fliegerhorst:Missglückte Reform

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Bürgermeister Gotz kritisiert bei der Bundeswehr die ersatzlose Streichung des Zivildienstes, Kommandeur Rethmann beklagt Verunsicherung der Mitarbeiter

Antonia Steiger

Als "missglückt" hat der Erdinger Bürgermeister Max Gotz (CSU) die Bundeswehrreform beim Neujahrsempfang des Fliegerhorstes bezeichnet. Damit sprach er vielen Anwesenden im Offiziersheim aus der Seele, denn laut Kommandeur Michael Rethmann ist die Verunsicherung beim militärischen und zivilen Personal groß - bis in die Spitze hinein. Rethmann rechnet damit, dass als erstes der Stab des Regimentes aufgelöst wird, wie er sagte. Spätestens 2015 werde laut Plan das letzte Flugzeug von der Startbahn abheben. Und dann wird auch der Flugplatz aufgelöst.

Kurz und knapp haben Rethmann und Gotz am Donnerstagabend zu den Soldaten und den Besuchern des Neujahrsempfangs gesprochen, sodass genügend Zeit blieb, um miteinander zu reden. Beherrschendes Thema: die Bundeswehrreform und ihre Folgen für die Soldaten, den Standort und die Stadt Erding. Rethmann sagte, die derzeit mehr als 1600 Mitarbeiter würden trotz der schwerwiegenden Entscheidungen mit "bemerkenswerter Motivation" ihren Auftrag erfüllen.

Dass im Materialdepot, der zweitgrößten Einheit am Standort, das Kommando an Oberstleutnant Thinnes übergegangen sei, sei ein Zeichen dafür, dass die Routine noch länger wie gewohnt weitergehen werde. Rethmann wünschte Thinnes Glück und sagte: "Das werden Sie auch benötigen." Rethmann und Gotz betonten die Bedeutung des Standorts für Erding und seine Bürger - vor allem als Unterstützung für die sozial Schwachen. So haben die Soldaten laut Rethmann bei der "Aktion Erbse" wieder ein neues Rekordsammelergebnis erzielt. Eine genaue Zahl stehe noch nicht fest, weil die Abrechnung aus der Küche noch fehle. Mit ihrer großen Spendenbereitschaft haben die Bürger auf ihre Weise ein Bekenntnis zur Bundeswehr abgegeben.

Wir brauchen eine neue Kultur des Ehrenamtes", sagte Gotz und zielte damit auf den seiner Auffassung nach größten Fehler bei der Bundeswehrreform: die Abschaffung der Wehrpflicht durch den früheren Verteidigungsminister zu Guttenberg. Es sei versäumt worden, einen Lösungsansatz zu finden mit einem freiwilligen sozialen Jahr für junge Frauen und Männer als Ersatz für den Zivildienst, sagte Gotz. "Ein Pflichtjahr wäre bereichernd gewesen für jeden einzelnen und eine Hilfe für die Gesellschaft."

Unter den Besuchern war auch Ulrich Ostermair, der bei MTU die Kooperationen mit der Bundeswehr betreut. Die Kooperationen seien rückläufig, hatte Rethmann gesagt - allerdings nur, was den Arbeitsumfang betrifft: Die Reduzierung auf 85 Tornados und 140 Eurofighter bedeutet, dass in den Erdinger Hallen der MTU auch weniger repariert werde. Ostermair bestätigte im Gespräch mit der SZ, dass sich die MTU nicht aus Erding zurückziehen wolle. Freiwerdende Liegenschaften im Fliegerhorst bergen aus seiner Sicht auch neue Chancen, doch werde die Industrie die Entwicklungen bei der Bundeswehr nun erst einmal genau beobachten.

Schon bald, so denkt Rethmann, wird in Erding der Stab des Versorgungsregimentes aufgelöst: Aus derzeit drei Stäben des Waffensystemkommandos der Luftwaffe werden zwei. Der Erdinger Stab verschwindet, doch vorübergehend soll einer der verbleibenden Stäbe in Erding untergebracht werden. Dies bedeute: andere Qualifikationen und anderes Personal - auch in Erding: "Dass dadurch die Verunsicherung beim Personal nicht kleiner wird, ist einleuchtend."

© SZ vom 21.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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