Neuer Krisendienst der Caritas:Ohne großes Aufsehen

Lesezeit: 2 min

Von Herbst an soll statt Polizei und Rettungsdiensten ein psychiatrischer Krisendienst der Caritas anrücken, wenn sich Menschen in akuter psychischer Not befinden oder gar Suizidgefahr besteht

Von Thomas Daller, Erding

Der psychiatrische Krisendienst, den es seit 2007 in der Landeshauptstadt gibt und seit Juni auch im Landkreis München, soll im Herbst auch auf den Landkreis Erding ausgeweitet werden. Unter einer Not-Telefonnummer können Fachleute schnell mit einem Gespräch helfen, einen Beratungstermin organisieren oder sogar ein Krisenteam zu den Anrufern schicken. Träger dieses niedrigschwelligen Angebots wird die Caritas sein. Alfons Kühnstetter, Leiter des sozialpsychiatrischen Dienstes in Erding, hat bereits zehn Bewerber für diesen Job und will sie nächste Woche zu einer Infoveranstaltung einladen.

Momentan wird noch über die Finanzierung gestritten. Die Bezirke wollen einen flächendeckenden psychiatrischen Krisendienst, fordern jedoch vom Freistaat, dass er mindestens 50 Prozent der nicht-gedeckten Kosten trägt. Darüber werden die Bezirke auf ihrer Vollversammlung am 7. und 8. Juli im oberfränkischen Bad Staffelstein diskutieren. Fest steht jedoch, dass im Herbst die Landkreise um München und in Südost-Oberbayern mit dem Krisendienst starten sollen, wann die restlichen bayerischen Bezirke dran sind, ist wegen dieser Finanzierungsfragen noch offen. In Erding peilt Kühnstetter den 1. Oktober als Starttermin an. Weil die Personalgespräche noch an Anfang stünden, will er aber auch eine Verzögerung nicht ausschließen.

Zielgruppe des psychiatrischen Krisendienstes sollen nicht nur Menschen mit einer suizidalen Problematik sein, sondern auch Betroffene, die ein akutes psychotisches oder wahnhaftes Erlebnis hatten und deren Angehörige oder Nachbarn sich überfordert fühlen oder sich Sorgen machen. Darüber hinaus soll der Krisendienst auch Ansprechpartner sein, wenn es beispielsweise um eine schwierige Trennungsthematik oder eine Verlustthematik geht.

Die Kontaktaufnahme soll über eine oberbayernweite Rufnummer erfolgen, die mit einer Leitstelle in München verbunden ist. Dort erfolgt eine telefonische Vorabklärung, welche Art von Hilfebedarf besteht. "Nicht in jedem Fall muss das Gespräch an unsere Mitarbeiter weitergeleitet werden", sagte Kühnstetter. Oftmals werde auch die Leitstelle in München sich darum kümmern und beispielsweise für den nächsten Tag einen Termin beim sozialpsychiatrischen Dienst vereinbaren. In dringenden Fällen wird der psychiatrische Krisendienst in Erding übernehmen: Entweder telefonisch oder indem ein Krisenteam zu den Anrufern fährt. Zwei Mitarbeiter werden dann mit einem Wagen der Caritas losgeschickt. In vielen akuten Fällen kamen bislang Polizei und Rettungsdienst mit Blaulicht angefahren. Das war für viele Patienten eine Stigmatisierung. Deswegen soll das von Herbst an geändert werden.

Kühnstetter kalkuliert, dass er für den Krisendienst in Erding etwa 20 Personen benötigt. Denn der Dienst soll täglich bis 21 Uhr erreichbar sein sowie am Wochenende und an Feiertagen. Zehn Bewerber haben sich bereits gemeldet. Darunter sind Sozialpädagogen, Psychiatriekrankenpfleger und Psychologen. Die Tätigkeit im Krisendienst soll als nebenberuflicher "Mini-Job" ausgeübt werden. Nach den Erfahrungen des Krisendienstes in München geht Kühnstetter davon aus, dass etwa zwei Drittel der Einsätze aufsuchend erfolgt. "Wir wissen aber noch nicht, ob wir die Situation in der Stadt eins zu eins auf das Land übertragen können.

Unterdessen wird sich der Freistaat weiterhin mit der Finanzierung beschäftigen. Bislang gibt der Bezirk Oberbayern bis zu 7,4 Millionen Euro im Jahr dafür aus. "Wir haben beste Erfahrungen damit gemacht", sagte der Bezirketags-Präsident Josef Mederer der Deutschen Presse-Agentur. Die Diskussion im Landtag hingegen ist noch nicht sehr weit gediehen. Einen Gesetzesentwurf gibt es noch nicht. Das Gesundheits- und das Sozialministerium erarbeiteten einen Umsetzungsvorschlag für das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, der dem Gesundheitsausschuss vorgelegt werden wird. Danach werden - auch mit den beteiligten Organisationen, Kassen und Sozialverbänden - Eckpunkte festgelegt, und darauf folgen die Ressortabstimmung und die Diskussion im Landtag. Das kann also noch etwas dauern.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: