Nachhaltige Beschaffung:Wegschauen ist nicht mehr

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Beim Auftakttreffen einer Arbeitsgruppe appellieren die Redner an die Verantwortung der Stadt Erding, fair gehandelte Produkte zu verwenden. Die Stadträte signalisieren Zustimmung

Von Thomas Jordan, Erding

Auf einem Tisch in der Mitte des Seminarraums im Museum Erding ist an diesem Abend das dinggewordene gute Gewissen von Neumarkt in der Oberpfalz ausgebreitet. T-Shirts, knallgrüne Putzhandschuhe, und sogar eine Computermaus sind darunter. Etwas erhöht thront ein weißer Lederfußball, darauf klebt das Fairtrade-Logo. Der "Beschaffungskoffer" der oberpfälzischen Stadt ist bei diesem Auftakttreffen der Arbeitsgruppe "Nachhaltige Beschaffung" Ansporn und Vorbild zugleich für die Stadt Erding. Denn auch die Große Kreisstadt soll in Zukunft bei Produkten und Materialien, die sie einkauft, soziale und ökologische Standards einhalten. "Vom Kaffee bis zum Feuerwehrauto" kann sich Andrea Loher aus der Abteilung Zentrale Dienste der Stadt Erding dabei alles vorstellen.

Seit Oktober 2015 ist die altbayerische Herzogstadt bereits "Fairtrade-Town". In Erdinger Supermärkten gibt es fair gehandelte Schokolade zu kaufen, in einem Modehaus nachhaltig produzierte Kleidung und bei Wirten der Großen Kreisstadt kommt fair gehandeltes Essen auf den Tisch. Jetzt soll Erding den nächsten Schritt tun und auch die eigene Verwaltung nachhaltig aufstellen. Auch Grund- und Mittelschulen werden von der Stadt getragen. Daher hören an diesem Abend im Seminarraum des Museums Erding neben Stadträten und interessierten Bürgern auch Erdinger Lehrer den Organisatorinnen Carina Bischke und Kirstin Wolf und den eingeladenen Referenten zu. Auf großes Interesse stießen dabei die Praxis-Beispiele von Richard Geiger von der Stadt Landshut. Seit 2004 bemüht sich die niederbayerische Hauptstadt, keine Produkte mehr zu kaufen, die aus "ausbeuterischer Kinderarbeit" stammen.

Anfangs sei es ein schwieriger Prozess gewesen, räumte Geiger ein: "Wir kannten uns aus mit Schneeräumen, aber ausbeuterische Kinderarbeit war neu für uns." Seit 14 Jahren achtet die Stadt Landshut nun darauf, dass bei städtischen Ausschreibungen die Nachhaltigkeit berücksichtigt wird. Mit seiner langjährigen Erfahrung appellierte Geiger heute an die 25 Zuhörer im vollbesetzten Seminarraum: "Wir können es uns als Kommunen nicht mehr leisten, dauerhaft wegzuschauen." Schließlich trage die Kommune Verantwortung für die Verwendung ihrer Steuergelder. Und Hiobsbotschaften, wie die, dass städtische Straßen mit Steinen aus Kinderarbeit gepflastert sind, wolle niemand.

Dass die Kommunen mit ihrer Einkaufspolitik Händler und Produzenten zum Umdenken bewegen können, betonten zuvor schon Ann-Kathrin Voge und Nicola Gutiérrez Rodas von "engagement global". Denn mit den 175 Milliarden Euro, die deutsche Kommunen für öffentliche Beschaffung ausgegeben würden, verfügten die Städte und Gemeinden über eine gehörige Marktmacht, betonten die beiden Referentinnen in ihrem Impulsvortrag. Hinzu kommt, dass das Geld seit kurzem nicht mehr das Non-Plus-Ultra ist, wenn es um die Vergabe öffentlicher Aufträge geht. Seit der Vergaberechtsnovelle von 2016 sollen die Kommunen neben dem Preis auch ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen. Sie können dafür Extrapunkte an Anbieter vergeben, wie Richard Geiger betonte.

Bei den rund 25 Zuhörern im avantgardistischen, in Betonoptik gehaltenen Seminarraum im Museum Erding stießen die Vorschläge zur fairen Beschaffung an diesem Abend auf reges Interesse. Konzentriert schrieben viele mit, als Voge und Gutiérrez Rodas den "Kompass Nachhaltigkeit" vorstellten. Eine Homepage, die deutschlandweite Modellprojekte vorstellt und Ideen zu fairen Kommunen sammelt. Und die versammelten Lehrer wurden in der anschließenden Diskussion gleich konkret. Mit schulenübergreifenden Sammelbestellungen für fair gehandelte Hefte wolle m sie jetzt "einen lokalen Schreibwarenladen mit ins Boot nehmen", sagte Karin Urland von der Mädchenrealschule "Heilig Blut."

Auch die Sprecher der Stadtratsfraktionen von CSU und Grünen, die ebenfalls unter den Zuhörern sind, signalisierten Zustimmung zur Idee "Nachhaltige Beschaffung". Jakob Mittermeier von der CSU schlug vor, erst einmal einen Grundsatzbeschluss zum Thema nachhaltige Beschaffung im Stadtrat vorzulegen. Die Details könnten von dann Arbeitsgruppen ausgearbeitet werden. Günther Kuhn mahnte dagegen zur Eile: "Wir können die Erfahrung nutzen die andere Kommunen schon haben." Ein zweites Treffen soll bald folgen.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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