"My Room":Jazz aus der Zukunft

Lesezeit: 2 min

Der 23-jährige Grammygewinner Jacob Collier kommt mit Ein-Mann-Performance nach Ebersberg

Von Anja Blum, Ebersberg

Es ist schon paradox: Als der neue Messias des Jazz wird einer gefeiert, dessen Musik im Alleingang entsteht. Der sich seinen guten Ruf nicht in unzähligen Jamsessions erarbeitet hat, sondern im Internet: Jacob Collier veröffentlicht als Teenager, auf Youtube selbst produzierte Videos, Covers von Klassikern wie "Isn't she lovely" von Steve Wonder oder "Georgia on my mind" von Ray Charles. Indem sich der Protagonist optisch wie akustisch multipliziert, entstehen beschwingte Choralversionen im Stile von Take Six, harmonisch wie stimmlich anspruchsvoll. Der junge Collier schichtet die Vielstimmigkeit lässig auf quirlig instrumentierte Grooves.

Colliers Version von "Don't you worry 'bout a thing" zählt 2,4 Millionen Klicks. Und nicht nur das: Quincy Jones entdeckte Collier und protegiert ihn. Nun hat Collier ein Album veröffentlicht und eine Ein-Mann-Bühnenshow entwickelt. Das Jazzpiano-Studium muss also erst einmal warten.

CD und Show nennt der 23-Jährige "In my room", denn der gleichnamige Song der Beach Boys ist ihm auf den Leib geschnitten: Collier produziert nach wie vor in einem Zimmer der elterlichen Wohnung in London. Hier hat er all das Equipment versammelt. Colliers Spektrum reicht von verflixt synkopiertem Jazz über Funk im Stile Jamiroquais bis zu Radiohead, von traditionellem Dulcimer über Akkordeon bis zum choralartigen "In My Room".

Die Organisatoren des Internationalen Jazzfestivals in Ebersberg freuen sich nun über ihren guten Riecher: Kurz nach seiner Verpflichtung für ein Konzert im Alten Speicher erntete Collier für sein Debütalbum zwei Grammys. Seine multi-instrumentale und multi-visuelle Performance war im November erstmals in Deutschland zu sehen, am Donnerstag, 19. Oktober, spielt er "My Room" in Ebersberg.

Für Colliers Auftritte haben Techniker aus Boston ein irres "Live Performance Vehicle" entwickelt. Der 23-Jährige bringt seine Stücke alleine auf die Bühne, spielt Klavier, Bass, Gitarre, Drums, Percussions und zaubert einen üppigen Klangkosmos mithilfe von Loopgeräten, Sampling, Effekten und vor allem einer"Vocal-Harmonizing-Machine", die aus seinem Gesang einen mehrstimmigen Satz zaubert. Dazu kommen in Echtzeit projizierte Videosequenzen von Collier. Der Bühnenraum ist vollgestellt mit dem Instrumentarium eines Oktetts, zwischen dem Collier umherhechtet. Man mag das dem Jazz eigne Zusammenspiel vermissen - doch Collier zündet eben auch im Alleingang mit seiner atemberaubenden Virtuosität und unglaublich viel Charme ein Feuerwerk.

Jacob Colliers Auftritt im Alten Speicher ist Teil eines Doppelkonzerts unter dem Titel "Fresh Jazz": Die Landesarbeitsgemeinschaft Jazz in Bayern (LAG) lobt alljährlich einen Wettbewerb unter aufstrebenden Musikern aus. Der diesjährige Preisträger, das Vincent Eberle Quintett, bestreitet den Opening-Act. Den Abend moderiert Tizian Jost, Professor an der Hochschule für Musik und Theater München. Das Konzert wird von BR-Klassik aufgezeichnet, im Anschluss findet im Café Zimtblüte eine Jamsession statt.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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