Mitten in Erding:Tugendhafte S-Bahn

Lesezeit: 1 min

Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bei der Bahn? Selbstverständlich gibt es das. Nicht bei den Züge, aber bei den Kontrollen

Von Thomas Jordan

Es gibt Begriffe, die für sich genommen keinen besonderen Anlass zur Heiterkeit bieten. Pünktlichkeit ist so ein Fall, Verlässlichkeit, ebenso die Tugend der Gründlichkeit. Ergänzt man diese Begriffe jedoch um ein einziges weiteres Wort, so kann es geschehen, dass sie schlagartig ihr gut verborgenes humoristisches Potenzial entfalten. Pünktlichkeit und Deutsche Bahn wäre so ein Beispiel. Oder Verlässlichkeit und Münchner S-Bahn.

Wer an dieser Stelle allerdings zu einem zustimmenden Schmunzeln ansetzen will, sei gewarnt: Hier erliegt der ewig nörgelnde MVV-Pendler, der nimmermüde Verspätungsminutenzähler einem fatalen Irrtum. Man könnte der Münchner S-Bahn, genauer, der S2 zwischen Hauptbahnhof München und Bahnhof Erding kein größeres Unrecht antun, als ihr einen Mangel der drei oben genannten Tugenden zu unterstellen.

Die Rede ist hier natürlich nicht von Verspätungen und Zugausfällen, da bleibt es beim altbekannten Glücksspiel jeden Morgen und Abend. Mit welcher Verlässlichkeit die Deutsche Bahn aber seit zwei Wochen die Fahrausweise auf der Linie S2 kontrolliert, nötigt selbst dem verbohrtesten MVV-Kritiker Hochachtung ab. Und das nicht nur einmal, sondern gleich zweimal am Tag. Morgens und abends. Dasselbe Ticket, dieselbe Strecke, derselbe Fahrgast, zweimal kontrolliert. Soviel Gründlichkeit muss sein.

Pünktlich kurz vor der Haltestelle Ottenhofen war es letztens wieder soweit, und an dieser Stelle ergibt sich die Gelegenheit, gleich noch mit einem weiteren Vorurteil über die Deutsche Bahn aufzuräumen. Denn wer jemals behauptete, es fehle den tapfer mit der englischen Sprache kämpfenden Schaffnern oder dem DB-Sicherheitspersonal an Eleganz im Vergleich zu - sagen wir, Flugbegleitern - der wurde noch nicht in der S-Bahn nach oder von Erding kontrolliert.

Die Nonchalance, mit der der lederbejackte, hipsterbärtige Kontrolleur den Fahrgästen dabei die Aufforderung "die Fahrausweise bitte" im Vorübergehen hinwarf, war groß, war eine einzige Feier der Lässigkeit des Seins. Der einzige Haken dabei: Für diese Erfahrung braucht es erst einmal eine S-Bahn, die fährt.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: