Mitten in Erding:Ein bisschen unperfekt

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Das Erdinger Klinikum wirbt für Schönheits-OPs - auf seine ganz eigene Art und Weise

Von Sebastian Fischer

Der Sommer ist nicht nur beliebt, weil er warme Temperaturen verspricht, sondern weil warme Temperaturen versprechen, dass die Menschen sich ihrer warmen Kleidung entledigen. Der Weg vom Handtuch zum Badesee ist ein Laufsteg und bringt Verborgenes zum Vorschein: Radlerwaden und Waschbrettbäuche etwa. Oder, nun ja: einfach nur Waden und Bäuche. Die Beschau ist ja interessant, weil Körperformen von unendlicher Vielfalt sind.

Für die Beschauten bedeutet das allerdings nicht nur Vergnügen, sondern auch Druck. Seit jeher gibt es Schönheitsideale - insbesondere weibliche - die der Vielfalt einen engen Gürtel anlegen: Schmale Schultern und hohe Taillen waren im alten Ägypten der Trend, runde Hüften und Bäuche in der Renaissance. Heute trimmt sich im Fitnessstudio, wer etwas auf sich hält. "Einfach gut aussehen", lautet die Werbebotschaft eines Marktführers, die anscheinend funktioniert. So weit, so gut, so gewöhnlich.

Außergewöhnlich wird der Verschönerungstrieb, sobald das Skalpell eines Chirurgen ins Spiel kommt. Gut, eine krumme Nase mag nicht besonders ästhetisch sein, und wer sich den Luxus einer Korrektur leisten will, soll ihn sich gönnen. Beängstigend wirkt jedoch die jüngste Werbestrategie des Klinikums Erding, Überschrift: "Bereit für den Sommer?" Nicht von einer Nasen-OP ist dort zu lesen, oder ein bisschen Speck weg von den Hüften, nein: "Es ist höchste Zeit, Ihren Körper von Kopf bis Fuß sommertauglich zu machen." Von Kopf bis Fuß! Ein Auszug aus der langen Liste an möglichen Eingriffen: Faltenunterspritzung auf der Stirn, Lippenaufspritzung, Brustvergrößerung, Fettabsaugung an Bauch, Flanken, Oberschenkeln, Knien, Waden und unter dem Kinn.

Nein, Schönheitsoperationen sollen hier nicht als Teufelszeug verschrien werden. Aber die Frage sei gestattet: Wo soll das denn bitte hinführen? Soweit, dass wir bald alle gleich aussehen, uns je nach Trend zurechtsaugen und -spritzen lassen? Und am Ende aus Langeweile die Kleider lieber anbehalten? Ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen. Aber ganz so schlimm ist das Defizit des Klinikums hoffentlich auch nicht, dass jede denkbare Erlösquelle so konsequent angezapft werden müsste.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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