Mitten in Erding:Behördlicher Rettungsauftrag

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Wenn es um Bäume am Straßenrand geht, scheiden sich die Geister

Von Gerhard Wilhelm

Wenn es um Bäume am Straßenrand geht, scheiden sich schnell die Geister. Vor allem, wenn es nicht nur ein vereinzelter Baum ist, sondern eine ganze Allee. Der Baumliebhaber würde die vielen Vorzüge einer Allee betonen: sie würde vor Sonne oder Wind schützen, bei Nebel und Dämmerung die Orientierung verbessern und das Schätzen von Entfernungen erleichtern. Das Wurzelwerk festige das Bankett und im Winter sei an den Alleebäumen der Straßenverlauf zu erkennen, die Bäume schützten auch vor Verwehungen und so weiter.

Viele Autofahrer würden indes wohl unbesehen die Forderung "Weg mit Bäumen an Straßen" unterschreiben. Unter dem Slogan wetterte in den 1960er Jahren der ADAC gegen Bäume: Der Zusammenstoß eines Autos mit einem Alleebaum ende zu häufig tödlich für die Insassen; Menschenleben hätten Vorrang vor Ästhetik und Naturschutz, hieß es.

Genau zwischen den beiden Extremen muss das Straßenbauamt sich bewegen. Zum Glück hilft die deutsche Bürokratie beziehungsweise die Forschungsgesellschaft für Straßenbau und Verkehr. Im besten Behördendeutsch wird genau geregelt, wann wer an der Straße geschützt werden muss. Weil Bäumepflanzen wohl gut fürs Karma ist, sollen wieder Lücken in Alleen geschlossen werden. Doch solange die Bäumchen noch so klein sind, müssen sie vor Verkehrsteilnehmern geschützt werden, die nach ihrem Leben trachten und sie vielleicht umfahren. Ab einem Stammumfang von 25 Zentimeter (rund acht Zentimeter Durchmesser) ist es nach den Behörden umgekehrt: der Baum wird zum "nichtverformbaren punktuellen Einzelhindernis". Sprich: wenn man dagegen fährt, verformt sich nur noch das Auto. Und das ist trotz aller Sicherheitssysteme wie Airbags für die Insassen immer gefährlich.

Deshalb hat man als "passiven Schutz" sogenannte "Fahrzeug-Rückhaltesysteme" erfunden. Auf Deutsch: Schutzplanken, oder umgangssprachlich Leitplanken. Schutz ist gut: Baum und Auto werden getrennt. Aber wer bitte ist auf das Wort "Fahrzeug-Rückhaltesystem" gekommen? Muss ein Baumfreund gewesen sein. Jeder andere hätte eine Kettensägen-Anwendungsrichtlinie erlassen.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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