Mitten in der Region:Unterhaltung mit der digitalen Dame

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Wer am Automaten das bayerische Hopper-Ticket kaufen will, der erkennt schnell, dass die analoge Welt noch nicht ausgedient hat

Kolumne von Eva Zimmerhof

Fieberhaft drücken, wischen die Finger auf dem Bildschirm herum, nichts tut sich. Schon will man ärgerlich aus der Videoschalter-Kabine stürmen - die einem kurz zuvor von der Mitarbeiterin des überfüllten Bahn-Reisezentrums empfohlen worden war - als man aus dem Augenwinkel ein kleines Schild entdeckt, direkt über dem Bildschirm und auf Augenhöhe: "Bitte Ruftaste am Tisch drücken! Kein Berührungsbildschirm." Auch auf einem zweiten Bildschirm daneben steht es deutlich - und ein leichter Anflug von Scham ob des Versagens beim Bedienen eines digitalen Gerätes paart sich mit Verwunderung: Hatte die Bahn ihre Fahrgäste mit der Umstellung der Fahrkartenautomaten nicht vor Jahren eigens auf Touchscreens gedrillt? Warum ist dies keiner, obwohl er haargenau so aussieht?

"Das Problem befindet sich meist vor dem Computer", sagen Informatiker. Sind Mensch und Maschine nicht kompatibel, kann selbst der ungeduldig werden, der eigentlich findet, dass Digitalisierung rockt. Vor allem, wenn der Zug gleich abfährt. Die in grünem LED-Licht hell strahlende Ruftaste befindet sich auf Hüfthöhe, kurz gedrückt und schon erscheint auf einem der Bildschirme eine Dame, mit der man nett plaudern kann. Sie trägt wie ihre Kolleginnen - wer auf den Geschmack kommt und sein Ticket danach häufiger im Videoreisezentrum kauft, lernt eine ganze Reihe von ihnen kennen - das erdbeerfarbene Tuch locker wie ein Cowgirl um den Hals, andere bevorzugen den adretten festen Knoten. "DB Rot vermittelt Dynamik, Vitalität und Wärme", heißt es auf der Unternehmens-Webseite.

Ja, man fühlt sich aufgehoben. Probleme mit der Maschine gibt es nicht, wenn einem die digitale Dame zur Seite steht und einen über nie zuvor wahrgenommene Angebote wie das bayerische Hopper-Ticket (manchmal viel günstiger) aufklärt. Auf Nachfrage erfährt man, dass sie mit ihren Kollegen in Kempten sitzt. Echte Menschen, keine Sprachassistenten wie Siri und Alexa, die dennoch auf Knopfdruck für einen da sind. Fast möchte man fragen, wie das Wetter in Kempten ist, obwohl Siri das auch wüsste, wünscht sich aber stattdessen ein Tagesticket nach München, das insofern nicht zeitlich gebunden ist, als man es erst in den nächsten Tagen abstempeln möchte. Die Dame nickt freundlich und taucht ab. Genau genommen steckt sie plötzlich unter ihrem Schreibtisch, bloß ein bisschen Rückenstoff ihres Blazers ist noch zu sehen. So menschlich. Da ist sie wieder, mit einem riesigen Fahrplan aus Papier! Um darauf per Hand die Zonen zu zählen! Im digitalen Zeitalter kommt man manchmal aus dem Staunen nicht heraus.

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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