Fünf Grad mehr - und das Kind kann kommen. Was eine mittelgute Zeile für ein Schlagerlied abgibt, könnte ein Grund mehr sein, an den Klimawandel zu erinnern. Diese fünf Grad bringen das Klima in Bayern durcheinander. Die Haselnuss blüht, und niesende Sitznachbarn in der S-Bahn kündigen keine Erkältungswelle an, sondern die neue Allergikersaison. Und morgens zwitschern schon die Vögel. Steht etwa schon die Balzzeit vor der Tür?
Vor wenigen Tagen entdeckte ein Mann in seinem Garten ein Amselküken, das sich im Gebüsch verheddert hatte. Gerhard Wendl vom Vogelnotruf des Landesbunds für Vogelschutz nahm sich des Jungvogels an. Er hält ihn in seiner Auffangstation, bis er stark genug ist, um wieder ausgewildert zu werden. Er hat dem kleinen Vogel mit gelblichem Schnabel und Restflaum auf dem Kopf aus einem Blumentopf einen Nest-Ersatz gebastelt, ausgepolstert und auf eine Wärmeplatte gestellt. Und über Nacht nimmt er ihn mit zu sich nach Hause. Eigenhändig bereitet er ihm Futter zu, reibt Obst, kocht Drohnenbrut ein, kauft Mehlwürmer.
Rührend? Wohl eher beunruhigend. Denn so früh im Jahr ist dem Vogelnotruf in fast 40 Jahren noch nie ein Amselküken untergekommen. Der Vogelfreund rechnet zurück: Zwanzig Tage Brutzeit, plus vier bis fünf Tage, bis das Amselweibchen ein befruchtetes Ei legt, plus zwei Tage Nestbau. Das Amselpärchen muss um Silvester herum losgelegt haben. "Das ist höchst ungewöhnlich, normalerweise geht es Mitte März los. Jetzt ist ja noch tiefster Winter." Von wegen. Dieses Jahr war der Januar mit 5,1 Grad über dem Durchschnitt in Bayern sehr warm. 45 Stunden lang schien die Sonne, deutschlandweit am längsten. Und dank der vielen Vogelhäuschen kamen die Vögel jederzeit problemlos an Futter heran. Wenn es so weiter geht, fängt der Frühling für die Amseln künftig im Winter an.