Mitten im Leben:Ein kostbares Geschenk

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Smartphone und Laptop verleiten freilich dazu, immer mehr Termine in einen Tag zu packen. Dabei ist die Zeit mit anderen Menschen am wichtigsten

Kolumne von Sibylle Haas

Die stade Zeit ist zumeist alles andere als still. Stade Zeit, das klingt nach Ruhe, Geborgenheit und Wärme. Doch in der Advents- und Weihnachtszeit hetzen viele von Weihnachtsfeier zu Weihnachtsfeier, von Kaufhaus zu Kaufhaus, von Christkindlmarkt zu Christkindlmarkt. Es ist ein merkwürdiges Treiben, das den Anschein hat, als gelte es, die letzten Dinge vor dem Ende der Zeit noch zu erledigen.

Stille und Zeit sind Geschwister, die man nicht so leicht findet. Zeit ist, ebenso wie Stille, zu einer harten Währung geworden, weil sie für viele Menschen knapp ist. Auf die Frage, was für sie der größte Luxus ist, antworten die meisten, dies sei Zeit. Freie Zeit und die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, was man gerade tun will, gehört für viele Menschen nicht zum Alltag. Die meisten hecheln ihren Terminkalendern hinterher, organisieren die Zukunft, treffen Verabredungen lange im Voraus und verplanen jeden Augenblick. Dabei versäumen sie das Heute, den Scheitel der Zeit.

Smartphone und Laptop verleiten freilich dazu, immer mehr Termine in einen Tag zu packen. Effizienz ist zum Maßstab geworden, dem sich alles unterzuordnen hat. Vorbild ist der Computer, der zielorientiert Daten verarbeitet und keine Zeit verschwendet. Diese Effizienz prägt die Arbeitsbeziehungen und oft auch die privaten. Auf der Strecke bleibt das Überraschende, das liebenswerte Unperfekte - das Menschliche.

Es kann sinnvoll sein, offline zu gehen, das Smartphone auszuschalten und stille zu werden. Dann weitet sich zumeist der Blick auf die anderen. Für andere da zu sein, sich um sie zu kümmern bedeutet, etwas sehr Wertvolles zu teilen. Zeit für alte Menschen, denen niemand mehr zuhören mag. Zeit für Kinder, die Zuneigung brauchen. Zeit für Kranke, die Mutmacher benötigen. Es gibt viele Möglichkeiten, Zeit zu verschenken. Und nicht selten vermehrt sich die Zeit, wenn man sie teilt. Dann kommt vielleicht, wonach sich viele von ihren Terminkalendern Getriebene sehnen: die stade Zeit, die Ruhe, Geborgenheit und Wärme bringt.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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