Mieten in Erding:"Sie ziehen weg, weil sie es müssen"

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Neue Wohnungen in den Thermengärten im Erdinger Westen: Für manche ältere Mitbürger nicht zu bezahlen. (Foto: Stephan Görlich)

Dass Vermieter ihre Zimmer möbliert anbieten, um die Mietpreisbremse zu umgehen, ist in Erding noch kein Problem.Hier gibt es aber ein ganz anderes: Immer mehr Rentner können sich die Mieten in der Stadt nicht mehr leisten

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Vor einem Jahr trat in Erding die Mietpreisbremse in Kraft. Zunächst nur dort und in keiner anderen Landkreis-Kommune hatte die Bayerische Staatsregierung einen "angespannten Wohnungsmarkt" erkannt. Im Herbst wurde nachgebessert und zum 1. Januar 2016 die Mietpreisbremse auch in Dorfen, Oberding und Neuching eingeführt. Bei einem neuen Mietvertrag darf die Miete seitdem in den vier Orten maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Ausgenommen sind Mietabschlüsse für neu errichtete Wohnungen oder nach einer umfassenden Modernisierung. Und, was mittlerweile auch in Erding vereinzelt angeboten wird: möblierte Apartments. Bei ihnen greift die Mietpreisbremse ebenfalls nicht. Während dies in München bereits ein Problem ist, sieht Eva Kolenda, die Vorsitzende des Mietervereins Erding und Umgebung, noch keine Gefahr. Sie sieht neben den regulären Mietpreissteigerungen vielmehr die Flucht der Rentner aus Erding als größtes Problem. "Mit einer normalen Rente können die sich die Mieten hier nicht mehr leisten."

"Erding, nähe Airport, sehr ruhige, möblierte 3-Zi-Whg, 70 qm, Warmmiete (inkl. Nebenkosten), 1550 Euro": Das ist in Erding eher noch ein Einzelfall. "Zum Glück haben wir diese Situation wie in München nicht hier, aber es gibt natürlich auch in Erding Fälle, in denen versucht wird, die Mietpreisbremse auszuhebeln. Bisher haben das aber unsere Anwälte immer abwenden können", sagt Eva Kolenda. Die möblierten Wohnungen würden hier vor allem von Geschäftsreisenden nachgefragt, sagt Kolenda. Die Nachfrage werde durch den Flughafen ausgelöst, aber auf dem normalen Wohnungsmarkt in Erding sei dies noch kein Thema. In größeren Städten wie München sind inzwischen 60 Prozent aller Wohnungsinserate solche Apartments. Immer mehr Führungskräfte aus der ganzen Welt kommen nur für einige Monate in eine Stadt und auch die Zahl von befristeten Verträgen und Projekt-Einsätzen hat zugenommen. Es lohne sich einfach dann oft nicht, dauerhaft umzuziehen und Möbel anzuschaffen. Der Deutsche Mieterbund vermutet, dass inzwischen einige Eigentümer ihre Wohnungen möbliert vermieten, um die Mietpreisbremse zu umgehen. "Zumindest verschleiert der Möblierungszuschlag, wie hoch die eigentliche Kaltmiete ist", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.

Den Erdinger Mieterverein quälen andere Probleme mehr: "In Erding ziehen die Mieten in den letzten Jahren an, und das kräftig", sagt die Mietervereinsvorsitzende Kolenda. Zwar habe die Kreisstadt einen Mietspiegel, der nötig sei, um die Mietpreisbremse kontrollieren zu können, aber der ziehe nur die Mieten der vergangenen drei Jahre zum Vergleich heran. "Würde man bis zu acht Jahre zurück gehen, würde es ganz anders aussehen, dann kämen geringere Mieten heraus", sagte Kolenda. Ihrer Meinung nach muss der Gesetzgeber noch viele Löcher bei der Mietpreisbremse stopfen, ehe sie richtig wirken kann.

Eine Maßnahme, die helfen könnte, wieder zu bezahlbaren Mieten zu kommen, sieht die Vorsitzende im Sobon-Modell - der "Sozialen Bodennutzung" - das die Kreisstadt künftig anwenden will. Ein Anteil von 30 Prozent des neu geschaffenen Wohnraums soll für Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen verfügbar sein. Von dieser Wohnungsquote sollen ein Drittel für Mietwohnungen mit Einkommensorientierter Förderung (EOF) und zwei Drittel für Miet- oder Eigentumswohnungen für einen erweiterten Personenkreis zur Verfügung stehen. Der größte Kampf dabei sei mit den Bauträgern und Grundstückeigentümern zu führen, sagt Eva Kolenda.

Doch auch Sobon wird wohl den Trend nicht stoppen, dass immer mehr ältere Menschen wegziehen. "Sie ziehen weg, weil sie es müssen. Es macht mich sehr traurig, wenn ich sehe, wenn Menschen, die hier ihre Wurzeln haben, hier jahrzehntelang gelebt haben, in den Bayerischen Wald oder in den Osten ziehen müssen, weil sie sich das Leben hier nicht mehr leisten können. Als älterer Mensch ist es nicht mehr so einfach, an anderer Stelle ein neues Leben zu beginnen." Wenn nur mehr teure, hochpreisige Eigentumswohnungen gebaut werden wie derzeit, dann, so Eva Kolenda, "gute Nacht Erding".

© SZ vom 07.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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