Shrimps-Zucht in Langenpreising:Im feuchten Klima der Mangroven

Lesezeit: 5 min

Die Gesellschafter Maximilian Assmann und Fabian Riedel (Foto: Renate Schmidt)

Europas größte Aquakultur-Kreislaufanlage für Bio-Garnelen steht in Langenpreising. Die Pioniere von "CrustaNova" züchten in einer Halle "White Tiger Prawns". Es sind die ersten Shrimps, die nicht in tiefgefrorenem Zustand auf den Markt kommen

Von Wolfgang Schmidt, Langenpreising

Es ist leichter, an Europas größter Aquakultur-Kreislaufanlage für Bio-Garnelen vorbeizufahren, als sie zu finden. Selbst wenn man die Adresse kennt. Straßäcker 6 in der Gemeinde Langenpreising ist in keinem Navigationsgerät verzeichnet. Und das ist etwas, was Fabian Riedel und Maximilian Assmann als nächstes angehen müssen - sie haben schließlich viel vor mit ihrer Firma "CrustaNova" und ihren "White Tiger Prawns", die zumindest deutschlandweit einen Markt erobern sollen. Es wäre die erste Garnele, die der Verbraucher nicht in tiefgefrorenem Zustand kaufen müsste.

Das mit der Straße schaffen die beiden Münchner garantiert, es wäre ja nicht die erste Hürde, die die zwei überwunden haben. Straßäcker 6. Der Reporter sitzt mit den beiden "CrustaNova"-Geschäftsführern in ihrem Büro. Wieso zieht man für ein solch ambitioniertes Projekt nach Langenpreising? Riedel schaut ganz überrascht auf und sagt: "Weil es sehr gut geeignet ist." Wahnsinnig viele Grundstücke hätten sie angeschaut, ergänzt Assmann. Wochenlang waren sie unter anderem auch im Sisby (Standort-Informations-System Bayern) unterwegs, einem Programm, in das alle bayerischen Gemeinden ihre Gewerbeflächen eingeben, die momentan zu haben sind. Es war schwierig, überhaupt eine Fläche zu finden, die ihre speziellen Anforderungen erfüllen konnte. Schließlich wurde in diesem Fall die Halle mit einer Grundfläche von 1800 Quadratmetern um die Technik herum gebaut. Jetzt aber sind die beiden hochzufrieden. Riedel lobt die hervorragende Anbindung - zur Autobahn A 92 sind es zwei Kilometer, nach München 50 und zum Flughafen 15 Kilometer. Außerdem habe die Zusammenarbeit mit der Gemeinde vom ersten Tag an prima geklappt. Nicht zuletzt hat auch der finanzielle Aspekt eine Rolle gespielt, das Grundstück war etwas billiger als andere.

Die Geschichte, wie zwei Männer, beide Mitte 30, zu Pionieren der Garnelenzucht werden, beginnt im Juli 2012 in München. Fabian Riedel war damals ein frisch zugelassener Rechtsanwalt, der den Doktortitel anstrebte. Deswegen verbrachte er viel Zeit im Institut für Zeitgeschichte in der Münchner Leopoldstraße. 100 Meter davon entfernt hatte sein Kumpel Maximilian Assmann, der in Weihenstephan Lebensmitteltechnologie studiert hatte, seine Wohnung. Bei einem Besuch entdeckte der Jurist im Schlafzimmer des alten Schulfreundes Flusskrebse, die dieser dort in kleinen Becken aufzog. "Der Fabi war gleich total begeistert", sagt Assmann. Deshalb habe er ihm Hunderte von Seiten über Aquakultur in die Hand gedrückt. Zwei Tage später war Riedel durch den Packen durch. Weitere zwei Tage später ging es los mit der Marktrecherche.

Hochtechnologie für die Tiere

Von den Flusskrebsen sind die beiden schnell losgekommen, weil die Konkurrenz einfach zu groß war. Riedl ist über Internet-Recherche auf die Garnele gekommen und dabei auf Professor Eddison Lawrence aus Houston in Texas gestoßen. Er hat einfach mal angerufen und den profilierten Shrimps-Forscher tatsächlich direkt am Apparat gehabt. Doch dann zerschlugen sich die monatelang gehegten Pläne, die US-Technologie nach Deutschland zu holen. Dafür lernten sie den deutschen Meeresbiologen Gerrit Quantz kennen, der mit kleineren Anlagen schon seine Erfahrungen gemacht hatte. Mit Quantz haben sie nicht nur die US-Technik weiterentwickelt, sie haben ihn mit ins Boot geholt, auch er ist in Langenpreising mit dabei.

Riedel und Assmann haben einen Businessplan geschrieben. Natürlich haben sie sich verschuldet. Sie haben sich um Fördergelder beworben, überlegt, wer als Investor dazukommen könnte. Weil in Langenpreising die erste Aquakultur-Kreislaufanlage Bayerns entstehen sollte, haben sie nach einer Ochsentour durch Landwirtschaftsministerium, Finanzministerium und den Landtag vom Freistaat Zuschüsse erhalten, vom Europäischen Fischereifonds gab es EU-Gelder. Jetzt musste aber noch ein Investor her, eine Bank wollten die beiden aber nicht dabei haben. In Nordbayern sind die Garnelenzüchter fündig geworden, bei einem Metzger, den haben sie über Münchner Bekannte kennengelernt. Dem sei bewusst, "dass das rote Fleisch, das er produziert, immer weniger gegessen wird", sagt Riedel. Deswegen wollte er sich bei Fisch ein zweites Standbein schaffen mit weißem Fleisch "und insbesondere mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell". Der Metzger ist jetzt bei "CrustaNova" dritter Gesellschafter der GmbH.

In der Halle wurden acht Polyethylen-Zuchtbecken auf zwei Ebenen eingebaut. Das Wasser hat eine Temperatur von 28 Grad, die Luft ist 30 Grad warm - es wird in Langenpreising das immerfeuchte Klima der Mangroven in einem geschlossenen System nachgebildet. Im August 2015 war Zuchtbeginn. Die Post-Larven stammten aus einem zertifizierten Zuchtbetrieb aus Florida, der seit zehn Generationen seuchenfrei ist, wie Riedel und Assmann garantieren. Die acht Becken sind jeweils in drei Bereiche eingeteilt - man könnte sagen einen Brutkasten für die Babys, einen größeren Bereich für die Jugendlichen und der meiste Platz steht den Erwachsenen zur Verfügung. In den jeweiligen Sektoren halten sich die Garnelen jeweils zwei Monate auf, nach einem halben Jahr ist die Post-Larve ein Tiger-Prawn geworden, 20 bis 25 Zentimeter groß und 35 Gramm schwer.

Drei Zutaten braucht man für die Zucht

Wenn die technischen Voraussetzungen stimmen, braucht es gerade einmal drei Zutaten, um frische Garnelen züchten zu können, sagt Assmann: Wasser, Meersalz und Biofutter. Bei letzterem handelt es sich um das zertifizierte "Label Rouge", bei "CrustaNova" wird aber auch an einem selbst entwickelten Futter gearbeitet, um den Fischmehlanteil zu reduzieren. 1,8 Millionen Garnelen in Summe sind in die Becken eingesetzt worden. Es gibt aber eine gewisse Mortalität. Die liegt wohl bei 30 bis 40 Prozent. In Asien liege diese noch viel höher, da seien es mehr als 60 Prozent, sagt Riedel. Wie viele Garnelen aber jetzt wirklich in der Halle herumschwimmen, kann er nicht einschätzen: "Kein Mensch hat schon einmal so viele Garnelen in ein Becken gesetzt." Erst beim Verkauf werde sich zeigen, wie viele herausgekommen sind. Gerechnet wird mit einem Output von 30 bis 40 Tonnen im Jahr.

Einen Tag vor dem SZ-Besuch hatten die Herren Riedel und Assmann einen ungleich wichtigeren Termin zu überstehen. Es war der Tag, an dem ihre Schöpfung abgenommen wurde - in baulicher und auch tierschutzrechtlicher Hinsicht. Die Gäste von der Regierung von Oberbayern, dem Landesamt für Gesundheit und natürlich auch die Veterinärbehörde des Landratsamtes haben alles gründlich in Augenschein genommen. Ob Betäubungsmaschine oder Verarbeitungsvorrichtungen - alles ist einwandfrei. Sogar "sehr gut", sagt Riedel.

Nichts hätte theoretisch somit im Weg gestanden, in das Weihnachts- oder spätestens in das Silvestergeschäft einzusteigen - und das war tatsächlich auch schon einmal leise geplant worden. Jetzt wird es wahrscheinlich Ende Februar, Anfang März werden, bis die Garnelen aus ihrem gewollt trüben Wasser gefischt werden. Riedel sagt, wenn "wir die Großen rausziehen, bedeutet das für die anderen zu viel Stress. Das ist nicht artgerecht und darauf legen wir großen Wert." Denn hier in Langenpreising will man eben bewusst anders arbeiten als in Asien. Und deshalb bekommen die Garnelen noch etwas mehr Zeit. Riedel sagt es so: "Es muss gut für die Garnele sein, es muss gut für den Konsumenten sein".

Tiefgefrorene Garnelen aus Asien dürfen sich noch dann "frisch" schimpfen, wenn sie bereits vor sechseinhalb Monaten abgefischt wurden. Das ist für die Bio-Ware vom "Straßäcker 6" mit das beste Verkaufsargument. Hier kommen die Garnelen "niemals tiefgefroren" auf den Markt, versichert Riedel. Es gibt Transparenz bei der Herkunft und der Haltung und die Transportwege sind kurz. Vom Frühjahr an könnte es dann auch eine Art Hofverkauf geben.

Noch wichtiger aber ist, dass bei "Crusta Nova" keine Antibiotika oder andere Zusätze verwendet werden. Diese Aufzucht und die häufige Verschmutzung mit Vogelkot waren der Grund, warum viele Spitzenköche Garnelen von ihren Speisekarten verbannt haben. Nach einer intensiven Verkostung der Bio-Garnelen aus Langenpreising scheint in dieser Hinsicht zumindest bei Eckart Witzigmann ein Umdenken stattgefunden zu haben. Sie schmecken sogar roh richtig gut, wie der Reporter selbst feststellen durfte.

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: