Kostensteigerung von 650 Prozent:Musik-Bürokratismus

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Die neuen Gema-Tarife machen Jugendzentren wie dem Sonic in Erding zu schaffen. Die Abgaben an die Verwertungsgesellschaft sind ungleich höher als bislang, und der Papierkram nervt alle

Von Katharina Kohrinund Florian Tempel, Erding

In Deutschland wird das Urheberrecht an musikalischen Werken von der Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte (Gema) mit viel Genauigkeit, großer Hartnäckigkeit und bürokratischer Humorlosigkeit gesichert. Wenn ein Stück Musik öffentlich erklingt, kassiert die Gema beim Veranstalter einen genau festgelegten Betrag ab, um nach Abzug von Verwaltungsaufwendungen und nach einem komplexen Verteilerschlüssel Tantiemen an Komponisten, Textdichter und Musikverlage abzuführen. Da kommt keiner aus - auch nicht kommunale Jugendzentren wie das Sonic in Erding. Die Jugendzentren konnten mit dem bisherigen Gema-System gut leben. Doch die seit 1. Januar geltenden neuen Regeln, sind für viele zum Haare raufen: Aktive Jugendzentren mit viel Programm werden von der Gema nun deutlich stärker zur Kasse gebeten.

Die Gema hat zum Jahresbeginn die Jugendtarife, die seit 13 Jahren galten, erheblich geändert. Der Leiter des Jugendzentrums Sonic, Ulrich Hofstaller, ist entsetzt. Die neuen Tarife seien eine "riesige Verschlechterung". Bislang musste das Sonic monatlich 250 Euro an die Gema zahlen. Nun kostet ein einziger Tag, an dem hier ein Konzert oder ein Discoabend stattfindet, 87 Euro. Hofstaller hat das mal überschlagen: "Das bedeutet bei uns einen Kostenzuwachs von 650 Prozent, denn wir haben jede Woche Konzerte, Lesungen und Poetry Slams." Positiv sei die Neuregelung nur "für Einrichtungen, die so gut wie keine Veranstaltungen haben, aber für uns hier in Erding auf keinen Fall". Und die neuen Verträge stellen nicht nur ein finanzielles Problem dar.

Das Personal in den Jugendzentren muss sich nun auch mit zusätzlicher Bürokratie beschäftigen. Bei jeder Veranstaltung, wie beispielsweise bei einem Konzert einer Newcomer-Band, muss überprüft werden, ob sich die Band an Gema-geschütztem Material bedient. Spielt die Band nur eigene Titel, kostet das nichts, spielt sie jedoch auch nur einen einzigen Cover-Song, sieht es ganz anders aus.

Die Gema-Bürokratie sei ein echtes Problem, beklagt Hofstaller. Das Sonic hätte sowieso wenige Mitarbeiter, und mit den neuen Bestimmungen würden sehr viele Stunden mehr draufgehen. Denn seit diesem Jahr müssen Jugendzentren vor jedem Konzert eine von der Band unterschriebene Stückeliste einreichen. Das sei alles andere als einfach, denn junge Bands haben kaum Verständnis für solchen Bürokratismus, sagt Hofstaller: "Wir haben dann alle Hände voll zu tun, die unterschriebenen Formulare zu bekommen und an die Gema weiterzuleiten."

Hofstaller ist es jedoch wichtig, dass in Erding junge Leute beim Veranstaltungsprogramm mitgestalten und mitwirken, und nicht nur ein Programm vorgesetzt bekommen. Trotz allem wollen er und sein Veranstaltungsteam, das sich aus 19- bis 24-jährigen jungen Leuten zusammensetzt, möglichst so weitermachen wie bisher. "Wir müssen in den sauren Apfel beißen", sagt Hofstaller, "aber deshalb wollen wir auf keinen Fall auf Veranstaltungen verzichten."

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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