Islamunterricht im Landkreis Erding:Ohne Berührungsängste

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Im Landkreis Erding besuchen 345 Schüler "Islamischen Unterricht in deutscher Sprache". Noch ist das ein Modellversuch - der klappt aber ganz hervorragend

Von Regina Bluhme, Erding

Özlen Balci bringt manchmal einen Gebetsteppich mit, wenn sie an einer der Schulen im Landkreis unterrichtet. Ihr Fach heißt zwar "Islamischer Unterricht in deutscher Sprache"; die Bedeutung des Teppichs erklärt sie aber auch gerne katholischen oder evangelischen Kindern. Die, sagt Balci, seien auch immer sehr interessiert daran, was es mit dem Islam eigentlich auf sich hat.

In Bayern besuchen nach Auskunft des Kultusministeriums rund 12 200 Schüler den islamischen Unterricht in deutscher Sprache. Unter ihnen sind 345 Schüler aus dem Landkreis Erding, sagt Andreas Ofenbeck von der Pressestelle in München. Es ist ein Modellversuch, der 2009 gestartet wurde: Bislang findet der aber ausschließlich an Grund- und Mittelschulen statt. Im Landkreis unterrichten drei Lehrer: Erding und Umgebung teilt sich Özlen Balci mit ihrem Mann Levent, für Dorfen ist Achmet Demirez zuständig.

"Wir sind Lehrer und keine Imame", betont Özlen Balci. Ihr Ziel sei es, die Gemeinsamkeiten der Religionen zu betonen, "ich will Offenheit und Toleranz vermitteln." Sie ist vor allem an Grundschulen im Einsatz. Wie zum Beispiel an der Carl-Orff-Grundschule Altenerding: "Wir lernen den Koran kennen, dabei betonen wir aber die Gemeinsamkeiten mit den anderen Religionen. Die Kinder sollen lernen, dass die Religion gleichberechtigt sind", so Balci. Natürlich sei auch das christliche Osterfest ein Thema. "Ich bespreche das möglichst kindgerecht", so Balci. Beim Thema Fastenzeit könne man zum Beispiel auf Ähnlichkeiten mit dem Ramadan verweisen. Die Schüler seien sehr interessiert, vor allem wollten sie wissen, was es mit dem Osterhasen auf sich habe. Die Zusammenarbeit mit den anderen Religionslehrern klappe sehr gut. Die Klassen besuchten sich gegenseitig und erzählten von ihrer Religion. "Wir leben hier zusammen, wir sollten uns gegenseitig akzeptieren", so Balci. "Das müssen wir den Kindern klar machen. Die Kinder sind unsere Zukunft."

Özlen Balci ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Als sie zwölf Jahre alt war, gingen die Eltern mit ihr zurück in die Türkei. "Mit 30 Jahren bin ich zurückgekommen nach Deutschland", sagt sie. Da war sie studierte Türkischlehrerin, ihr Mann Levent Türkischlehrer. Nach mehreren Fortbildungen haben beide als Religionslehrer ihren Traumberuf gefunden, sagt Özlen Balci.

Barbara Schock, Rektorin der Carl-Orff-Grundschule, ist ebenfalls zufrieden: "Ich kann nur sagen: Es klappt hervorragend." Ihr gefällt, "wie aufgeschlossen und offen die Religionslehrer miteinander umgehen". Berührungsängste gäbe es keine. Im Gegenteil: Als kürzlich eine Ethiklehrerin erkrankt sei, habe man die Schüler auf die anderen Religionsklassen aufteilen müssen. "Einige haben sich gleich freiwillig für den islamischen Unterricht bei Frau Balci gemeldet. Die waren neugierig und fanden das spannend", so Schock.

An der Mittelschule Erding hat Levent Balci auch nur gute Erfahrungen gemacht, wie er berichtet. "Ich sehen schon auch meine Aufgabe darin, die Kinder hier gut zu integrieren." Da sei es wichtig, auch andere Kulturen kennen zu lernen. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen klappe sehr gut. Er habe auch schon eine Klasse in einen katholischen Gottesdienst begleitet. Petra Leubner, Rektorin der Mittelschule Erding, ist froh, dass Schüler aus Afghanistan, Bosnien, der Türkei oder jetzt auch aus Syrien den Islamunterricht bei Levent Balci besuchen können. "Herr Balci ist ein fester Bestandteil unseres Lehrerkollegiums" - Modellversuch hin oder her.

Auch das Kultusministerium spricht von einem Erfolg des Modellversuchs. Pressesprecher Andreas Ofenbeck verweist auf eine Datenerhebung aus dem Jahr 2014: Damals wurden Schulleitungen, Lehrkräfte des Islamunterrichtes, muslimische Schüler und deren Eltern an 72 Schulen befragt. Die Ergebnisse zeigten, dass der Modellversuch "als erfolgreich eingestuft werden kann und überwiegend positiv wahrgenommen wird", so Ofenbeck.

Der Modellversuch wurde vor zwei Jahren bis 2019/2020 verlängert. Angesichts der Flüchtlingszahlen aus muslimischen Ländern kommen auf das Projekt wohl zusätzliche Schüler zu. Andreas Ofenbeck erklärt auf Nachfrage, dass das Kultusministerium den Modellversuch islamischer Unterricht in deutscher Sprache "mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen weiter ausbauen" werde. Insgesamt soll bis September 2016 eine Ausweitung der "Modellversuchstandorte" erzielt werden und zwar von derzeit ungefähr 260 Schulen auf über 400 Schulen.

Bei all den Erfolgsmeldungen bleibt die Frage, warum sich der islamische Unterricht in deutscher Sprache weiterhin im Versuchsstadium befindet und nicht längst als Regelfach aufgenommen wurde. Laut Andreas Ofenbeck gibt es dafür zwei Gründe. Zum einen soll der Modellversuch weiterentwickelt werden. Ursprünglich sei der Lehrplan nur für Grund- und Hauptschulen konzipiert worden, erklärt Ofenbeck - jetzt ist eine "Differenzierung nach Schularten" geplant. Es ist also gut möglich, dass der Modellversuch bald auch an Realschulen oder Gymnasien eingeführt wird.

Der zweite Punkt betrifft das Grundgesetz. Wie das Kultusministerium mitteilt, lautet für die "Etablierung" des Modellversuchs als Regelfach eine zentrale Voraussetzung, "dass dem Staat eine islamische Religionsgemeinschaft als Kooperationspartner zur Verfügung steht". In der Tat gebe es derzeit noch keinen "vergleichbaren Verband". Bis sich dieser konstituiert habe, sei der Modellversuch eine "tragbare Übergangslösung", so Pressesprecher Ofenbeck. Wie die Katholische Nachrichten Agentur KNA kürzlich meldete, hat der Zentralrat der Muslime eine umfangreiche Strukturreform beschlossen mit dem Ziel, die Anerkennung der bestehenden Landesverbände als Religionsgemeinschaften zu erleichtern. Bald könnte es also einen Partner geben.

Es tut sich also was, aber auch in der Lehrerausbildung hat es Fortschritte gegeben. Laut Kultusministerium werden an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen seit mehreren Jahren für Lehrkräfte Wochenlehrgänge für islamischen Unterricht angeboten. Schwerpunkte der Schulung sind neben dem Lehrplan unter anderem religionspädagogische und didaktische Unterrichtsmethoden, Weiterbildung in Islamwissenschaften und der Geschichte des Islams und interreligiöses Lernen. Seit dem Wintersemester 2012/13 gibt es außerdem islamischen Unterricht auch als Studienfach für Lehramt.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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