Hochwasserschutz entlang der Sempt:Der Unmut wird größer

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Die Stimmung bei der zweiten Informationsveranstaltung zum Hochwasserschutz an der Sempt war noch aufgeheizter als bei der ersten. Die Wörther zweifeln an den Planungen des Wasserwirtschaftsamtes

Von Mathias Weber, Erding

Vielleicht hätten die Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes zur jüngsten Informationsveranstaltung zum Hochwasserschutz entlang der Sempt wieder einen neutralen Moderator mitbringen sollen - so, wie sie es bei der ersten Informationsveranstaltung im Juli in Wörth taten. Zwar waren am vergangenen Mittwochabend im Altenerdinger Gasthaus Adlberger nur halb so viele Zuhörer zur Veranstaltung wie nach Wörth gekommen, der Saal im Obergeschoss war trotzdem brechend voll. Und je wärmer es im Saal wurde, desto roter wurden die Gesichter und desto aufgeheizter die Stimmung.

Denn ein guter Teil der Zuhörer kam nicht aus der Großen Kreisstadt, sondern aus Wörth. Und die, die Anlieger des Hochwasserbeckens, das im Falle eines Hochwassers aufgestaut und Schaden von den Unterliegern der Sempt abhalten soll, haben wie auch schon in Wörth ihren Unmut über das Projekt klar zu Ausdruck gebracht. Erdinger Bürger traten bei der Diskussion kaum mit Fragen und Anmerkungen an das Mikrofon - die Wörther aber umso mehr und umso lauter. Einen Zweikampf Erding gegen Wörth wollte Erdings Oberbürgermeister Max Gotz aber verhindern, das machte er in seinen einleitenden Worten klar. "Vorurteilsfrei" solle man an die Debatte herangehen, er erinnerte eindringlich daran, dass es weder eine Beschlusslage zum umstrittenen Hochwasserrückhaltebecken gebe, und schon gar keinen Planungsfeststellungsbeschluss. Was das Wasserwirtschaftsamt nach Altenerding mitbrachte, sei immer noch im Status der Vorplanung. Und die stellten die drei Experten des Amtes noch einmal vor. Zwei Varianten für einen Hochwasserschutz in Erding wurden geprüft: den so genannte lineare Ausbau, also meterhohe Wände und Dämme in Altenerding, Langengeisling und Bergham/Aufhausen; oder eben das Wasserrückhaltebecken bei Niederwörth, das bei einem hundertjährigen Hochwasser voll, im Mittel alle 20 bis 50 Jahre zum Teil im Einsatz sein wird - die maximalen Einstauhöhen sollen also nur sehr selten erreicht werden. Wieder hat Dr. Stefan Fach dargestellt, warum für das Wasserwirtschaftsamt die Becken-Variante die "insgesamt bessere Lösung" sei. Neben vielen anderen Untersuchungen schneidet diese Variante besser bei der Umweltverträglichkeitsstudie ab, bei der Beeinträchtigung der Infrastruktur, beim Flächenbedarf und beim Grunderwerb und nicht zuletzt bei den Kosten; die aber, so hieß es, nicht der wichtigste Faktor bei den Planungen seien. Trotzdem werden sich die Erdinger auch bei der Becken-Variante auf - allerdings geringere - Baumaßnahmen gefasst machen müssen, etwa eine kleine Mauer entlang der Landgerichtstraße, die auch als erhöhter Gehweg gebaut werden könnte. Die Auswirkungen des Hochwasserrückhaltebeckens auf Erding aber haben die folgende Diskussion nicht bestimmt. Vielmehr haben wieder die Wörther ihre Kritik an dem Projekt und vor allem an dem geplanten Damm, der das Wasser im Fall des Falles aufstauen soll, artikuliert. Sorgen macht ihnen nicht so sehr das Bauwerk an sich, sondern die Spundwände, die erforderlich sein werden, um den Damm im schlechten Moos-Boden zu verankern. Diese, so die Befürchtung, werden das Grundwasser aufstauen und in die Keller der Anwohner drücken.

Ausschließen kann das Wasserwirtschaftsamt das nicht, sichere Erkenntnisse gibt es aber ebenso wenig. Derzeit wird ein Grundwassermodell vom Büro Isar Consult in München erstellt, es soll im kommenden Frühjahr öffentlich vorgestellt werden. Oberbürgermeister Gotz erinnerte die Wörther daran, dass sie im Laufe der weiteren Planungen zahlreiche Einspruchsmöglichkeiten haben werden.

Ihre Einsprüche aber wollten die Wörther schon am Mittwochabend loswerden - bisweilen auch mit direkten Angriffen auf die Experten vom Wasserwirtschaftsamt, denen die Teilnehmer immer wieder ihre Qualifikation absprachen. Ihre "Hausaufgaben" hätten die Experten "nicht richtig gemacht", von "unseriöser Planung" war die Rede. Am Ende wurde aus dem maximal dreieinhalb Meter hohen Dammbauwerk sogar ein "Staudamm".

Die Wasserwirtschaftler hielten so gut es ging dagegen. Den betroffenen Bauern versicherte die Leiterin des Wasserwirtschaftsamtes, Sylva Orlamünde, dass die Schäden durch ein Hochwasser "großzügig abgegolten" würden. Auf den Feldern im Unterlauf der Sempt müsse man im Gegensatz zu jetzt kein Hochwasser mehr befürchten. Auch Dr. Fach wurde - für ihn untypisch - emotional: Er verstehe die Befürchtungen der Wörther, aber bei dem Hochwasser handle es sich um ein "verdammt seltenes Ereignis" - "Haben Sie Vertrauen!". Und der Projektleiter Thomas Atzenhofer wollte schließlich nicht ausschließen, dass der Dammbau sogar Vorteile für die Anlieger bringen könnte. Sollte es Probleme mit dem Grundwasser geben, da war er sich sicher, werde es dafür technische Lösungen geben; dadurch könnte es zu einer Verbesserung der Grundwassersituation für Wörth kommen. Und er sagte: "Das ist nicht das erste Hochwasserbecken, das wir bauen."

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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