Großer Zulauf:Ehe es zu spät ist

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Die Paarberatung der Erzdiözese München und Freising verzeichnet für den Landkreis Verdopplung der Klientenzahlen

Von Regina Bluhme, Erding

Typischer Fall: Ein Paar, beide um die 50, seit 21 Jahren verheiratet, die Kinder seit kurzem aus dem Haus - und die Ehe am Ende. Um die Beziehung zu retten, suchen die Eheleute professionelle Hilfe. Bei der Erdinger Beratungsstelle der Ehe- und Familienberatung in der Erzdiözese München und Freising hat sich in den letzten 20 Jahren die Zahl der Klienten nahezu verdoppelt, darunter ist die Altersgruppe der 41- bis 50-Jährigen mittlerweile am häufigsten vertreten. Laut Statistik sind die Scheidungszahlen im Landkreis Erding gesunken, doch für das oben genannte Paar gibt es keine Entwarnung. Bayernweit wächst nämlich die Zahl derer, die erst nach mehr als 25 Jahren getrennte Wege gehen.

Der Landkreis Erding liegt im Trend, was die Eheschließungen angeht. Das Bayerische Landesamt für Statistik hat die Zahlen bis 2016 parat. Demnach gab es 2016 im Landkreis 703 Eheschließungen, im Jahr zuvor waren es 666. Scheidungen wurden 2016 insgesamt 242 verzeichnet, 2105 waren es noch 266. Da geht es offensichtlich nach unten. "Interessanterweise halten Ehen heute im Schnitt 15 Jahre und damit drei Jahre länger als noch vor 25 Jahren", heißt es im Bericht der Beratungsstelle Erding. Eine Rolle spiele "sicher die Sehnsucht nach einer dauerhaften Liebe und einer intakten Beziehung". Dazu kämen finanzielle Gründe. Allein schon die Schwierigkeiten heute als alleinerziehender Elternteil eine bezahlbare Wohnung im Landkreis zu finden, bewege nicht wenige Paare dazu, sich eine Trennung "sehr gründlich zu überlegen".

So gesehen überrascht es nicht, dass die Eheberatung der Erzdiözese in Erding einen großen Zulauf vermeldet. 2017 waren es 388 Klienten und 1650 Beratungsstunden. Damit hätten sich Fälle und Personen in den letzten 20 Jahren nahezu verdoppelt, schreibt die Leiterin Elisabeth Dreyßig. Das liege sicher auch daran, dass die Stelle gut angenommen werde und dass die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen, in den letzten Jahren gestiegen ist. Und doch komme es immer wieder vor, dass Klienten erst dann kommen, "wenn zum Beispiel im Extremfall die Frau schon mit gepackten Koffern dasteht".

Die Ratsuchenden werden immer älter: 32 Prozent waren 31 bis 40 Jahre alt, die Altersgruppe zwischen 42 und 50 ist mit 38 Prozent am häufigsten vertreten. Hier spiele wohl die sogenannte Midlife-Crisis eine große Rolle, schreibt Dreyßig. Der Anteil der 51- bis 60-Jährigen beträgt immerhin 19 Prozent. Hier resultierten die Eheprobleme unter anderem aus dem Auszug der Kinder, "beruflichen Belastungen bis hin zu Burnout, sexuellen Schwierigkeiten", sowie Problemen mit alten Eltern. Bayernweit wurden 2016 laut Statistik 4117 Ehen nach über 25 Jahren und mehr geschieden, 2000 waren es noch 2977.

Ein weiteres Aufgabenfeld ist die Beratung bei Trennung und Scheidung, also bei Fragen des Unterhalts oder Sorgerechts. Hier verzeichne die Erdinger Beratungsstelle fast viermal so viele Anfragen wie die Kollegen im Diözesanbereich. Dies liegt nach Ansicht von Elisabeth Dreyßig auch an der intensiven Zusammenarbeit mit Jugendamt und Erziehungsberatung. Das Amtsgericht vermittle auch Fälle. Heftige Konflikte müssten nicht unbedingt zur Trennung führen, schreibt Dreyßig. Oft könnten sich durch die Beratung "neue Perspektiven öffnen und alte Verletzungen heilen".

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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