Gibt es ein "Christkind-Aufklärungs-Trauma"?:Die Frage nach dem Nikolaus

Gibt es ein "Christkind-Aufklärungs-Trauma"?: Auch an diesem Dienstag, 6. Dezember, 18 Uhr, dürfen die Kinder mit dem Besuch des Nikolauses auf dem Christkindlmarkt rechnen.

Auch an diesem Dienstag, 6. Dezember, 18 Uhr, dürfen die Kinder mit dem Besuch des Nikolauses auf dem Christkindlmarkt rechnen.

(Foto: Renate Schmidt)

Psychotherapeut Florian Beutel rät Eltern, auf ihr Bauchgefühl zu hören, wenn sie mit ihrem Nachwuchs über Weihnachtsbräuche reden wollen. Kein Kind sei je "falsch" aufgeklärt worden

Von Sandra Langmann, Landkreis

Seit jeher stehen am 6. Dezember Nüsse und Mandarinen auf dem Speiseplan, die selbstverständlich vom heiligen Nikolaus gebracht werden. Die Kinder staunen und freuen sich über die kleinen Geschenke. Umso größer dann die Enttäuschung: "Den Nikolaus gibt es gar nicht?" Mit einem klaren "Nein!" als Antwort gehört die Kindheit der Vergangenheit an, das Kleinkind ist für immer traumatisiert. So oder so ähnlich spielt es sich wohl in der Vorstellung vieler Eltern ab, die sich die Frage stellen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, den Nachwuchs über Christkind und Nikolaus aufzuklären. Und vor allem, wie man es ihnen so schonend wie möglich beibringen soll. Bei dieser Frage muss der Kinder- und Jugendpsychotherapeut Florian Beutel aus Grafing im Landkreis Ebersberg schmunzeln. Er verfügt über jahrelange Erfahrung in unterschiedlichen psychosozialen und klinischen Arbeitsfeldern. Ein "Christkind-Aufklärungs-Trauma" sei ihm bislang nicht untergekommen, sagt er. "Außerdem werden die Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen."

Die Eltern sollten sich vielmehr fragen, warum sie ihren Kindern vom Nikolaus oder Christkind erzählen und somit bewusst "anlügen" - sei es um den Weihnachtszauber entstehen zu lassen, aus religiösen oder geschichtlichen Gründen. Jeder solle selbst entscheiden, ob die Geschenke vom Nikolaus oder von einem selbst gebracht werden. Jedenfalls, beteuert Beutel, trage das Kind keinen Schaden davon, egal ob es daran glaube oder nicht.

Generell sei heutzutage von einer Erziehungsunsicherheit zu sprechen. "Die Eltern sind verunsichert, und sie haben Angst, etwas falsch zu machen", so Beutel. Doch die sei unbegründet. So richtet Beutel seinen Appell an die Eltern, die Kirche im Dorf zu lassen. "Man muss nicht alles zu einem Problem hochstilisieren", sagt er. Er könne sich nur schwer vorstellen, dass ein Kind je "falsch" aufgeklärt werden könnte.

Mit großer Wahrscheinlichkeit höre das Kind sowieso auf dem Pausenhof von anderen Kindern, dass die Geschenke nicht von den Fantasiewesen kommen. Die "klassische Aufklärung" - ein Vieraugengespräch zwischen Erziehungsberechtigtem und Nachwuchs - ergebe sich meist gar nicht. Oder die Kinder merken häufig selbst, von wem die Geschenke kommen und der Baum geschmückt wird. "Außerdem machen sie ihren Eltern oft Geschenke, die bringt doch auch nicht das Christkind", merkt Beutel an. Jedoch sollte man sich auch hier die Frage stellen, wie man als Familie damit umgehe, rät Beutel. So könne man Transparenz zeigen und das Ganze auch spielerisch darstellen - beispielsweise mit einem Augenzwinkern und einem ironischen "Ach, das bringt dir doch das Christkind."

Doch warum glauben Kinder das Märchen vom Christkind? Irgendwann bemerken sie ja doch, dass etwas nicht stimmen kann. Das liegt auch daran, dass sich die Kinder in einer "magischen Denkphase" befinden. In dieser Phase glauben sie auch an Monster, die sich unter dem Bett verstecken. Die Eltern holen sie dort ab und bringen sie in eine Weihnachtswelt, die mit der gesamten Familie gelebt werde. Für viele Erwachsene sei die Weihnachtszeit eine besinnliche Zeit, und so schaffen sie sich eine gut duftende, glitzernde Zauberwelt, um dem Alltag zu entfliehen. "Das nimmt die Ernsthaftigkeit", sagt Beutel, und sei zudem eine tolle Gelegenheit, mit den Kindern zu leben und eine magische Welt zu schaffen. "Kinder sind ein wichtiger Bestandteil von Weihnachten", erklärt Beutel. Denn die strahlenden Augen, die Freude an Weihnachten und der Glaube an Nikolaus und Christkind gehören in unserer Gesellschaft einfach dazu.

Kinder- und Jugendpsychotherapeut Florian Beutel rät den Eltern zum intuitiven Erziehungsverhalten. Man solle auf sein Bauchgefühl hören und das tun, was man für richtig halte. Als Elternteil wisse man am besten, was das eigene Kind brauche. Erziehungsratgeber seien aus dem Bücherregal zu verbannen, sagt der Therapeut. "Die sind nur dafür zu verwenden, damit der Tisch nicht wackelt", ist Beutel überzeugt.

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