Gegen alle Expertenempfehlungen:Unterdurchschnittliche Impfquote

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Auffällig viele Eltern im Landkreis lassen ihre Kinder nicht gegen Masern und Meningokokken immunisieren. Laut einer Studie steht das im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Prosperität der Region

Von David Kirchner, Erding

Die Impfquote bei Masern und Meningokokken liegt im Landkreis weiterhin unter dem bundesdeutschen und bayerischen Durchschnitt. Das geht aus einer Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung hervor. Hierfür wurden Impfdaten von Kleinkindern aus den Jahren 2009 bis 2012 wissenschaftlich ausgewertet.

Demnach erhielten in Erding nur 52 Prozent der Kinder die für einen wirksamen Schutz erforderlichen zwei Impfungen gegen Masern. Bei Meningokokken-Impfungen ist die Quote mit 60 Prozent nur geringfügig höher. Dabei wäre laut der Weltgesundheitsorganisation eine Impfquote von 95 Prozent notwendig, um die Krankheiten auszurotten. Dass man im Landkreis hiervon noch weiter entfernt ist als andernorts, liegt wohl nicht zuletzt an der geografischen Lage Erdings innerhalb der Bundesrepublik. Denn bis auf den Großraum München sind im Süden Bayerns die Quoten bei verschiedenen Impfungen "signifikant" niedriger als in anderen Gebieten der Republik. So gibt es laut der Studie eine zusammenhängende Region an Landkreisen mit besonders niedrigen Impfquoten die vom Südosten Bayerns bis nach Baden-Württemberg reicht und die sich gegenseitig beeinflussen.

Zudem brachte die Studie eine weitere, auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinende Erkenntnis: Je besser es den Menschen einer Region wirtschaftlich geht, desto niedriger fällt die Bereitschaft aus seine Kinder impfen zu lassen. Dies weise darauf hin, dass in besser gestellten sozialen Schichten "die individuelle Auseinandersetzung mit der Impfung des Kindes eine hohe Bedeutung" habe, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie.

In Erding setzten die Kinderärzte vor allem auf Information und Aufklärung. Die meisten Eltern seien keine ideologisch aufgestachelten Impfgegner, sondern durch Fehlinformationen im Internet verunsichert oder vergäßen schlicht Termine für Nachimpfungen, sagt Vanessa Schuster, zertifizierte Impfassistentin in der Kinderarztpraxis von Hans-Peter Niedermeier: "Man muss die Bedenken der Eltern ernstnehmen und im persönlichen Gespräch sachlich und kompetent entkräften. Oft haben sie einfach irgendwo aufgeschnappt, dass die Nebenwirkungen bei einer Impfung überwiegen würden und deshalb Sorgen um ihre Kinder. Das ist zwar verständlich, aber eben nicht zutreffend." Mit dieser Strategie habe man in Niedermeiers Praxis eine Impfquote von "geschätzt 90 Prozent" erreicht.

Doch angesichts insgesamt zu niedriger Impfquoten und des Wiederauftauchens längst ausgerottet geglaubter Krankheiten wie Masern oder Mumps werden auch Rufe nach einem stärkeren Handeln der Politik lauter. So fordert der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte,Thomas Fischbach, bereits seit Jahren eine Impfpflicht. Allerdings sind solche Zwangsmaßnahmen umstritten. So verweist der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbandes Erding, Elmar Gerhardinger, auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sorgerecht der Eltern, die durch eine Impfpflicht eingeschränkt werden würden: "Natürlich sollten Eltern ihre Kinder impfen lassen, aber einer Impfpflicht stehe ich doch sehr kritisch gegenüber. Das wäre für mich nur das absolut ultimative Mittel."

Dem widerspricht der Erdinger Kinderarzt Wolfram Rohland, der eine Impfpflicht befürwortet. Natürlich sei eine solche Maßnahme ein massiver Eingriff des Staates, dennoch würden die medizinischen Notwendigkeiten überwiegen: "Es ist einfach untragbar, wenn Unwissenheit oder Ignoranz der Eltern Kinderleben gefährden und vermeidbare Krankheitserreger nicht endgültig ausgelöscht werden."

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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