Flüchtlinge in Altenerding:Ärger mit dem Flugblatt

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Die Familie dieses 37-jährigen Elektronik-und IT-Ingenieurs aus Damaskus hat die Hälfte eines alten Klassenzimmercontainers zugewiesen bekommen. (Foto: Peter Bauersachs)

Eine Gruppe von Anwohnern der neuen Asylunterkunft in Altenerding kritisiert Standort und Wohnsituation. Für eine schriftliche Stellungnahme ist ein Erdinger Richter verantwortlich

Von Florian Tempel, Erding

Man kann nicht sagen, dass er glücklich ist, seit Freitag mit seiner Frau und den drei Kindern in Erding untergebracht zu sein. Die Familie des 37-jährigen Elektronik-und IT-Ingenieurs aus Damaskus hat die Hälfte eines alten Klassenzimmercontainers zugewiesen bekommen. Der stand bis vor kurzem noch am Dorfener Gymnasium, jetzt ist er in Altenerding am Ende der Langen Feldstraße aufgebaut, als Teil einer provisorischen Wohnanlage für bis zu 60 Flüchtlinge. Der syrische Familienvater macht sich Sorgen. Dass Regenwasser durch die Decke tropft, ist noch das kleinste Übel. Doch "wie soll das gehen", fragt er, wenn bald eine zweite Familie im gleichen Raum wohnen wird: "Wie kann meine Frau hier schlafen, wenn noch ein anderer, fremder Mann hier sein wird?" Und wie wird es im Winter? Zu den Sanitär-Containern wird man durch den Schnee stapfen müssen.

Es gibt einige, die sehr glücklich sind, dass Familien wie die des 37-jährigen Syrers in der Containeranlage einquartiert werden. Zunächst hieß es, in die Containeranlage würden 60 Single-Männer kommen. So viele Männer auf engem Raum, zu zehnt in einem Zimmer, das berge "Konfliktpotenzial", sagt einer aus einer Gruppe von Anwohnern - er ist beamteter Jurist -, die sich zusammengesetzt und ein "Informationsschreiben" verfasst haben. Ein Flugblatt, das dann doch nicht veröffentlicht wurde, das aber "irgendwie" vorab beim Erdinger Anzeiger gelandet ist. Die Verfasser haben für ihren Unmut verschiedene Aspekte angeführt: Die Informationspolitik des Landratsamtes sei miserabel; die Container seien in einer "Nacht- und Nebelaktion ohne Vorankündigung" aufgebaut worden; die angekündigte Belegung nur mit Männern direkt neben dem evangelischen Kindergarten und gegenüber der Carl-Orff-Grundschule sei "problematisch"; und auch das: die Wohnsituation für die Flüchtlinge in alten Klassencontainern sei "menschenunwürdig". Mit einer Einquartierung von Familien und allein stehenden Frauen sei nunmehr "die große Problematik nicht mehr gegeben", sagt er am Montag.

Der Jurist hat auf dem "Informationsschreiben" als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts gezeichnet, ohne seine richtige Adresse anzugeben. Er hat als Kontakt "Münchner Straße 27" hingeschrieben. Wer es weiß, erkennt, dass das die Adresse des Amtsgerichts ist. Dessen Direktorin Ingrid Kaps hat das gar nicht gefallen: "Das geht nicht." Ihr Kollege habe seinen Fehler nach einem Gespräch unter vier Augen eingesehen, "für uns ist die Sache damit erledigt. Er hat ja keinen ersichtlichen Bezug zum Amtsgericht oder seinem Beruf hergestellt, er wollte nur seine Privatadresse schützen."

Es gibt nicht wenige Bürger in Altenerding, die von dem "Informationsschreiben", das sie nur vom Hörensagen oder auszugsweise aus der Zeitung kennen, gar nichts halten. Am Mittwochabend hatten sie bei einem Treffen im evangelischen Kindergarten, in dem es um das bevorstehenden Eintreffen der Flüchtlinge ging, ihre Kontaktdaten ausgetauscht. Als die ersten Flüchtlinge eintrafen, informierten sie sich gegenseitig mit Whatsapp-Nachrichten. Dann gingen sie nach nebenan, um die Neuankömmlinge willkommen zu heißen, sich bekannt zu machen und ihnen Hilfe anzubieten.

Den 37-jährigen Familienvater aus Damaskus hat das sehr gefreut: "Sie sind alle sehr, sehr, sehr freundlich." Und sie seien eine große Hilfe. Als er mit Frau und Kindern ankam, war da zunächst niemand. An der offenen Tür zu dem Containerraum für seine Familie - und bald eine zweite -, klebte ein Aufkleber mit seinem Nachnamen. Auf den Stockbetten lag die spartanische Erstausstattung für sie: Fünf mal Bettzeug, ein Teller, eine Gabel, ein Löffel und ein Glas. Die Nachbarn brachten ihnen Messer, Töpfe, Shampoo, Seife, Toilettenpapier, Essen und Getränke. Am Montagmorgen gingen Nachbarinnen mit seiner Frau und den Kindern zu einem sozialen Kleiderladen. Eine kranke Frau brachten die Nachbarinnen zum Arzt.

Vom Landratsamt war bis Montagmittag niemand gekommen.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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