710 Fälle im vergangenen Jahr:Immer komplexer

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Der Kreistag geht nach seiner Sitzung am Montag im Großen Sitzungssaal im Landratsamt Erding in die Sitzungspause. Die nächste Sitzung findet am 25. September statt. Dann tritt der Kreisausschuss zusammen. (Foto: Renate Schmidt)

Die Erziehungsberatung am Landratsamt Erding legt ihren Jahresbericht vor. Demnach reichen in immer weniger Fällen drei Beratungstermine aus, um Familien auf das richtige Gleis zu setzen

Von Antonia Steiger, Erding

Die Bedeutung der Familie für das Wohlergehen des Kindes ist nicht hoch genug einzuschätzen - im Guten wie im Schlechten. Kindern und Jugendlichen mit intaktem Umfeld geht es gut, die anderen leiden. Und das betrifft auch viele Kinder und Jugendliche im Landkreis Erding. Laut dem Jahresbericht der Erziehungsberatungsstelle sind es die Belastungen durch familiäre Konflikte, die in jedem dritten Fall eine Beratungstätigkeit auslösen. Am Montag legte Sabine Wolf, Leiterin der Beratungsstelle, im Jugendhilfeausschuss des Landkreises Erding ihren Jahresbericht vor. Insgesamt seien die Hälfte der Familien, die zur Beratung kämen, aktuell oder auch zu einem früheren Zeitpunkt von Trennung oder Scheidung betroffen.

Insgesamt 710 Fälle haben die Psychologen, Sozialpädagogen und Therapeuten der Erziehungsberatungsstelle am Landratsamt im vergangenen Jahr bearbeitet, in 330 gab es familiäre Konflikte wie Partnerkonflikte, schwierige Konstellationen in Patchwork-Familien oder Sorgerechtsstreits. Manchmal müssen Eltern gezwungen werden, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, die meisten Eltern kommen aber aus eigenem Antrieb (200 Fälle). Viele erhalten eine Anregung von ehemaligen Klienten der Beratungsstelle (91), manche von der Schule oder der Tagesstätte (72 Fälle). In zwei Fällen gingen junge Menschen selbst auf die Beratungsstelle zu.

Wenn Eltern sich trennen, kann es zu schrecklichen Szenen kommen. So schrecklich, dass manchmal das Familiengericht die Eltern zur Beratung schickt. Laut Jahresbericht landeten im vergangenen Jahr 54 Elternpaare in der Beratungsstelle, die mit einer gerichtlichen Auflage dazu verpflichtet worden waren. In diesen Fällen sei "das eskalierende Streitverhalten der Eltern" eine Gefahr für das Kindswohl. Die Beratung erfolge in enger Abstimmung mit dem Familiengericht. Ziel sei es, heißt es im Jahresbericht, dass die Eltern zu einer außergerichtlichen Einigung im Sinne des Kindeswohls kommen.

Wer einen Termin bei der Erziehungsberatung braucht, der muss oft warten - manchmal mehrere Wochen. Auf Nachfrage von Ulla Dieckmann (SPD) betonte Wolf, die Erziehungsberatungsstelle sei keine Notfalleinrichtung. Das erste Gespräch führe eine Verwaltungsangestellte. Manchmal rufe jemand gleich zurück, wenn es besonders dringend erscheint. Es gibt aber auch Wartezeiten von bis zu drei Monaten, wenn Eltern einen Termin bei einem bestimmten Berater haben wollen oder auf den richtigen Kurs warten. Längere Wartezeiten haben ihre Ursache auch darin, dass die Fälle komplexer werden, wie Wolf sagte. 2015 hätten in 65 Prozent der Fälle bis zu drei Gespräche ausgereicht, um die richtigen Weiche zu stellen. Zwei Jahre später waren es nur noch 56 Prozent. "Wir brauchen deutlich mehr Termine als früher", sagt Wolf. Umso wichtiger nimmt die Erziehungsberatungsstelle die Präventionsarbeit, sie verlaufe "relativ erfolgreich", weil viele Familien erreicht werden mit Kindern, die noch nicht drei Jahre alt sind. So startet demnächst wieder eine Gruppe für sehr junge Mütter unter 20 Jahren, sie werde sehr gut angenommen, sagte Wolf. Die jungen Frauen fühlten sich unter Ihresgleichen wohl, sagte sie. Viele hätten nur sehr wenige andere Möglichkeiten zum Austausch. Auch eine Gruppe mit psychisch belasteten Müttern zum Beispiel nach traumatischen Geburtserfahrungen bietet die Erziehungsberatungsstelle an, auch hier sei die Eltern-Kind-Bindung gefährdet wie manchmal auch bei sehr jungen Müttern.

Wie es im Jahresbericht weiter heißt, geht es bei den ganz kleinen Kindern öfter um Jungen als um Mädchen: 2017 waren bei Familien mit Kindern unter drei Jahren 52 Jungen und 44 Mädchen betroffen, zwischen drei und fünf Jahren waren es 77 Jungen und 44 Mädchen und zwischen sechs und acht 83 Jungen und 75 Mädchen. Dann dreht sich das Verhältnis, am deutlichsten in der Altersspanne zwischen 15 und 17 Jahren: 27 Familien mit Jungen waren in der Beratung und 39 Familien mit Mädchen.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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