Expertenstimmen:Ausbaufähiges Angebot

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Glücklich mit Gymnastik und Sitzball: Thilo Wendisch. (Foto: oh)

Es gibt im Landkreis viel Sport für Behinderte - aber nicht genug

Von Sebastian Fischer, Erding

Die Algasinger Kickers haben ein schönes Problem. Sie sind, sagt ihr Trainer, solch euphorische Fußballer, dass sie vor lauter Angreifen manchmal das Verteidigen vergessen: Ihr letztes Spiel endete 5:5. Wichtig ist dem Trainer Leo Schwanner, 25, aber etwas anderes: Dass jeden Dienstag 20 Spieler zum Training kommen und Freude an Bewegung und Teamgeist haben. Die Spieler sind Menschen mit geistiger Behinderung, die in den Einrichtungen der Behindertenhilfe Algasing und der Lebenshilfe Erding wohnen. Sie zeigen, wie Sportangebote für Menschen mit Behinderung aussehen sollten. Angebote, die im Landkreis nicht zu knapp seien, sagt Schwanner. Aber, und da stimmen ihm viele zu: "Es ist noch ausbaufähig."

Das sagt auch Colleen Duvos von der Lebenshilfe Erding: Sie wünscht sich insbesondere Angebote für Inklusionssport. Ihre Einrichtung bietet den Bewohnern intern Kurse an und kooperiert mit der behindertenhilfe Algasing, wo Fußballtrainer Schwanner als Heilerziehungspfleger arbeitet. Die Behindertenhilfe bietet den Bewohnern nicht nur Fußball, sondern ein vielfältiges Kursangebot: Bergwandern, Nordic Walking, Stockschießen, ein Fitnessstudio in Dorfen steht den Bewohnern offen. Sport spielt auch an der St. Nikolaus-Schule für geistig und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche eine große Rolle. Unter anderem gibt es eine langjährige Kooperation mit dem Skiclub Erding, die über das Skifahren hinausgeht: Eine Musikgruppe aus Kindern und Lehrern der Schule spielt jedes Jahr auf der Weihnachtsfeier des Vereins.

Ähnliches erzählt auch Thilo Wendisch, der zweite Vorsitzende des Behinderten- und Versehrtensportvereins Erding (BVSV). Natürlich geht es einerseits um Sport, der für Menschen mit Behinderung aus Gründen der Gesundheitsprävention besonders wichtig ist. Er selbst, 67, lebt mit einem durch die Infektionskrankheit Poliomyelitis deformierten Bein. Nur durch den Sport - Wendisch spielt mit dem BVSV Sitzball, macht Gymnastik und fährt im Winter Snowbike - habe er Rückenbeschwerden vorbeugen können. Andererseits geht es aber um den Erfahrungsaustausch im 183 Mitglieder starken Verein, um die gemeinsame Weihnachtsfeier und Ausflüge.

Kooperationen mit den großen Vereinen in Erding, beispielsweise dem TSV, der keine Behindertensportabteilung hat? "Es wäre schön, wenn es das gäbe", sagt Wendisch. Aber er ist auch so zufrieden. Montags ist Gymnastik, Qigong und Sitzballtraining in der Halle der Katharina-Fischer-Schule. Mittwochs wird gekegelt und samstags sind im Hallenbad drei Bahnen und der Nichtschwimmerbereich reserviert, zur Wassergymnastik.

Das Problem des BVSV ist dasselbe wie bei anderen Vereinen: Der Nachwuchs fehle, sagt Wendisch. Er würde den jungen Menschen mit Behinderung in Erding ein Erlebnis wünschen, wie er es vor 25 Jahren hatte. Da fuhr er mit seiner Tochter auf dem Feuerwehrfest in Hörlkofen in einer Kutsche, und der Kutscher war ein Mann mit Querschnittslähmung. "Warum bist Du nicht bei uns", fragte er Wendisch, "beim Behindertensportverein?" Sachen gibt's, dachte er damals. Und sagt heute: "Manchmal braucht man einen Schubser."

Interessierte am Angebot des BVSV können sich bei Thilo Wendisch unter thilo.wendisch@t-online.de oder Telefon 08122/8231 melden.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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