Erdinger Geschichte:Mythos Stadtgründung

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Zwei Historiker kommen unabhängig voneinander zum Ergebnis, dass Erding schon vor 1228 besiedelt war

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Ist die Stadt Erding wirklich im Jahr 1228 gegründet worden? Oder ist die Siedlung Erding viel älter? Mit dieser Frage beschäftigen sich an diesem Montag, 5. Dezember, zwei Versammlungen. Roman Deutinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, referiert von 20 Uhr an beim Archäologischen Verein im Museum Erding über den "Abschied vom Mythos 1228. Die Anfänge der Stadt Erding in neuem Licht". Eine Stunde zuvor beginnt im Gasthof Mayr-Wirt wird die Jahreshauptversammlung des Historischen Vereins Erding, wo auch die Jahresschrift veröffentlich wird - in ihr der Aufsatz "Erding vor seiner 'Gründung' 1228. Die Entstehung der Stadt Erding zwischen historischen Fakten und tradierten Erzählungen" des Erdinger Historikers Dr. Hans Bauer. Beide kommen zum gleichen Schluss: "Erding" muss es schon langen vor 1228 gegeben haben.

Deutinger zufolge beruht die Jahreszahl 1228 weder auf zeitgenössischen mittelalterlichen Quellen noch auf wissenschaftlichen Forschungen, sondern auf Überlegungen des Erdinger Bürgermeisters und Heimatforschers Friedrich Herbig (1858 bis 1936) aus den 1920er Jahren. Der Historiker dagegen beleuchtet die mittelalterlichen Quellen und die historischen Zusammenhänge. Die erste urkundliche Erwähnung Erdings sei im Herzogsurbar, einem Einkünfteverzeichnis aus der Zeit zwischen 1229 bis 1234, also ebenfalls danach. "Alles davor ist spekulativ", sagt Deutinger. Eine bedeutende Rolle spielten außerdem Funde aus dem 12. Jahrhundert, die 2015 bei den archäologischen Ausgrabungen im Haus Am Rätschenbach 12 gemacht wurden und die es gar nicht geben dürfte, wenn Erding erst Anfang des 13. Jahrhunderts gegründet worden sei.

Zum selben Ergebnis kommt auch Hans Bauer in seinem Aufsatz. Auch Bauer schreibt: "Erding wurde nicht exakt im Jahre 1228 von Herzog Ludwig dem Kelheimer in einem hoheitlichen Akt auf einem Stück Land, das ,aus der Flur von Altenerding herausgeschnitten' wurde, als Stadt gegründet. Dies ist mangels schriftlicher Zeugnisse nicht belegbar". Das Jahr 1228 markiere nur die erste quellenmäßige Nennung Erdings als selbständiges Gemeinwesen. "Der Kontext lässt in keiner Weise erkennen, ob der Marktort Erding bereits damals den Status einer Stadt besaß." Eine Stadt sei in mittelalterlichen Zeiten nicht auf freiem Feld wie ein heutiges Gewerbegebiet entstanden, sondern es müsse ein langer historischer Entwicklungsprozess vorangegangen sein. Der Prozess habe seinen Höhepunkt in einer förmlichen "Stadterhebung" durch die Ausstellung einer Urkunde gefunden. "Mangels Erhalt dieser Urkunde fehlen uns die Details und das Entstehungsdatum". Ob erst die steinerne Mauer entscheidend dafür gewesen sei, dass ein Marktort wie Erding den Status einer Stadt erhalte, sei strittig. Dass "Arding" schon damals den rechtlichen Status einer bayerischen Stadt hatte, lasse sich aus Quellen nicht unmittelbar ableiten. Ein stadteigenes Siegel mit dem "Ard", dem keltischen Pflugeisen, erscheine erst um das Jahr 1303. Und die Erwähnung im Herzogsurbar zeige nur, dass der Herzog Einnahmen aus einem Markt erhält. Das weise eher darauf hin, dass Erding damals ein wohlorganisiertes Gemeinwesen mit einem florierenden Marktgeschehen war.

Der Ort mit dem Markt musste demnach schon länger existiert haben. Die Aufzählung von Einnahmen aus einem Markt könne weder als Zeitpunkt der Entstehung des Marktortes "Arding" noch als "Gründungsurkunde", einer "Stadt Arding" angesehen werden. Vielmehr sei dank des topografisch günstig gelegenen Straßenknotenpunktes auf der "Insel" zwischen den beiden Semptarmen schon Jahrhunderte vorher eine infrastrukturelle Urzelle entstanden und damit ein "wilder" Markt, schreibt Bauer.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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