Erding:Zahl der muslimischen Bestattungen wächst

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Noch gibt es keine Nachfragen nach einem Gräberfeld. Die Mehrheit lässt sich in der alten Heimat beerdigen - mit Blick nach Mekka

Von Regina Bluhme, Erding

Freising hat eins, Dachau, Landshut und München ebenso: ein muslimisches Gräberfeld auf dem Friedhof. Die Große Kreisstadt Erding hat dafür keine eigene Fläche vorgesehen, bislang wurden aber problemlos auch Muslime auf dem Erdinger Friedhof bestattet. Die übergroße Mehrheit lässt sich allerdings immer noch in der alten Heimat beerdigen - mit Blick nach Mekka und in Leintüchern. Dabei hält viele die Sargpflicht von einem Begräbnis in Bayern ab. Kürzlich ist ein Antrag der Grünen zur Abschaffung der Vorschrift im Innenausschuss des bayerischen Landtags gescheitert.

"Nachfragen nach einem eigenen muslimischen Gräberfeld sind uns nicht bekannt", erklärt Christian Wanninger, Pressesprecher der Stadt Erding. Bislang habe es auch nie ein Problem gegeben, fügt er hinzu. Selbstverständlich könnten Menschen mit anderer Glaubensrichtung auf dem Friedhof bestattet werden, "und in der Vergangenheit wurden auch schon Muslime beerdigt" - in einem Sarg, wie es das bayerische Bestattungsgesetz vorsieht. Und ohne Schwierigkeiten.

Eigenes Gräberfeld in Dachau

In Dachau ist es Muslimen seit 1. Januar dieses Jahres möglich, sich auf einem eigenen Gräberfeld bestatten zu lassen. Wie Katrin Förg, die Leiterin des Friedhofwesens, mitteilt, sei in der Vergangenheit "schon öfters deswegen nachgefragt worden". Nun gibt es 18 zukünftige Gräber mit Blick Richtung Mekka. In Erdings Nachbarstadt Freising stand das muslimische Gräberfeld lange leer. Doch langsam tut sich was. 2014 und 2015 fand jeweils ein Begräbnis auf dem Waldfriedhof statt, und demnächst wird es dort wieder eine Bestattung geben, berichtet Irene Striegl vom Freisinger Presseamt.

"Die Zahl der Muslime, die sich bei uns beerdigen lassen, steigt", sagt Werner Schwarz vom gleichnamigen Bestattungsunternehmen aus Erding. Schließlich lebten zum Beispiel viele türkisch-stämmige Erdinger bereits in dritter oder vierter Generation in der Großen Kreisstadt. Wie Schwarz mitteilt, hat er bereits Beerdigungen nach islamischen Ritus betreut. "Da sucht man auf dem Friedhof eine Grabstelle, die nach Richtung Osten schaut. Da gab es nie Schwierigkeiten", sagt Schwarz. Nach der rituellen Waschung werde der Tote in Tücher gewickelt und in den Sarg gelegt. "Am Grab selbst spricht dann der Imam ein Gebet", so Schwarz.

Eine Überführung ist aufwendig und teuer

Der Erdinger Bestattungsunternehmer weiß aber auch: "Die Mehrheit lässt sich immer noch in der alten Heimat beerdigen", in der Türkei, in Bosnien-Herzegowina oder Montenegro. Eine Überführung per Flugzeug ist ziemlich aufwendig. Wie Schwarz erläutert, muss der Tote zunächst einbalsamiert und in einer speziellen Vorrichtung, einer sogenannten Flugtruhe, transportiert werden. "Die Fluggesellschaften wollen nicht, dass Passagiere sehen, wie ein Sarg in den Flieger gehoben wird", sagt Schwarz. Daher werde der Tote in eine Holztruhe gelegt. Dazu kommt der bürokratische Aufwand, und billig ist eine Überführung auch nicht.

Deswegen wird zum Beispiel in der türkisch-islamischen Gemeinde immer wieder für Familien gesammelt, die sich die Kosten nicht leisten können. Das berichtet der erste Vorsitzende Yunus Tektasli, der zudem erklärt, dass er persönlich niemanden aus seiner Gemeinde kenne, der sich in Erding begraben lassen hat. "90 Prozent wollen eine Überführung in die Heimat", bestätigte Mustafa Biyik, der sich in Hallbergmoos mit "Huzur Internationale Bestattungen" selbständig gemacht hat.

Viele sind hier aufgewachsen

Doch er glaubt schon, dass sich zukünftig mehr Muslime in Deutschland begraben lassen. "Viele sind doch hier aufgewachsen und wollen das Grab ihrer Familie am Ort besuchen." S. Ergül, die ihren Vornamen lieber abgekürzt in der Zeitung lesen will, ist als Zweijährige aus der Türkei nach Erding gekommen und lebt hier seit mehr als 40 Jahren. "Ich kenne keinen Muslim, der sich in Erding begraben hat lassen", sagt sie. "Der Bezug zur Heimat ist einfach immer noch sehr stark, es leben viele Verwandte dort."

Im Übrigen gäbe es bei Muslimen keinen so großen Kult um ein Grab. "Unsere Gräber sind eher schlicht", sagt sie. "Wir beten sie auch nicht so stark an, denn wir denken, Gebete erreichen die Toten überall." S. Ergül und ihr Mann haben sich schon öfters überlegt, wo sie sich begraben lassen. Die Kinder sind hier aufgewachsen, leben hier, "ich würde mich sofort für Erding entscheiden", sagt sie, "wenn die Sargpflicht nicht wäre".

Sargpflicht nur noch in Bayern

Die Sargpflicht ist fest verankert im bayerischen Bestattungsgesetz. Allerdings haben sich mittlerweile fast alle Bundesländer von der Vorschrift verabschiedet. Sargpflicht gibt es nur noch in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Grünen hatten im vergangenen Jahr die Abschaffung initiiert. Der Innenausschuss des bayerischen Landtags lehnte den Antrag Ende 2015 ab. Der Ausschussvorsitzende, der Freisinger Landtagsabgeordnete Florian Herrmann (CSU), erklärt auf Nachfrage, dass es bislang keine Probleme mit dem Gesetz gegeben habe und deswegen sehe er auch "keinen gesetzlichen Handlungsbedarf".

Für ihre Bestattung nehmen übrigens auch immer mehr Erdinger Christen eine Reise auf sich. Wie Werner Schwarz mitteilt, sind seit einiger Zeit sogenannte "Baumbeerdigungen" gefragt. Dabei wird die Asche des Verstorbenen in einer Bio-Urne, die sich mit der Zeit selbst auflöst, in einem Wald beigesetzt. Auch hier gibt es Vorschriften, diese Bestattung ist nicht überall möglich. Die Bestattungs- oder Friedwälder in der näheren Umgebung befinden sich laut Schwarz in München, Bad Feilnbach und Salzburg. Wie der Bestattungsunternehmer berichtet, haben so bereits einige Erdinger ihre letzte Ruhestelle außerhalb des Landkreises gefunden.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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