Museum Erding:Von der Genese der Bajuwaren

Das Museum Erding eröffnet 50 Jahre nach Entdeckung und Erforschung des Reihengräberfeldes in Klettham eine Sonderausstellung. Die Exponate sind über die Landesgrenzen hinaus bedeutsam.

Von Sebastian Fischer, Erding

Das Schwert, mit dem alles begann, liegt hinter Glas, rot und rostig. Gut 1500 Jahre ist es her, dass ein Bajuware mit ihm kämpfte, 50 Jahre, dass der Erdinger Thomas Schöberl es in den Händen hielt. Schöberl, heute 58 Jahre alt, stand am Montag vor der Glasvitrine im Museum Erding und erinnerte sich an jenen Freitagnachmittag 1965, als die Bagger im Westen von Klettham ruhten - und er mit vier Freunden an einer Stelle spielte, wo ein Kanal gebaut werden sollte. Sie haben "ein bisschen herumgegraben" und fanden jahrhundertealte Schädel und Schwerter. "Ein Abenteuer", dachte er - und hatte ein Reihengräberfeld aus dem frühen Mittelalter entdeckt. Es war ein bedeutender Fund für die bayerische Geschichtsschreibung.

Seit Montag zeigt das Museum Erding bis zum 6. November Exponate wie das "Spatha" genannte Langschwert in der Sonderausstellung "50 Jahre Entdeckung und Erforschung des bajuwarischen Reihengräberfeldes von Altenerding". Welch herausragende Bedeutung dies für Erding hat, erklärte Oberbürgermeister Max Gotz bei der Eröffnung: "Wir haben Großartiges in die Welt getragen."

Etwa 1500 Gräber aus der Zeit zwischen 460 und 720 nach Christus wurden zwischen 1966 und 1973 geborgen, über 10 000 Exponate gesichert. Sie zeigen, dass schon um das Jahr 450 bei der ersten Völkerwanderung Alamannen, Thüringer, Ostgoten und Langobarden nach Altbayern einwanderten. Nach drei Generationen verschmolzen die Völker in eines, in Schriftquellen werden sie seitdem Bajuwaren genannt. Entsprechend sei der inhaltliche Schwerpunkt die "Ethnogenese der Bajuwaren", sagte Harald Krause, der seit acht Wochen das Museum leitet. Die Sonderausstellung ist sein erstes großes Projekt.

Museum Erding: "Exotische Dame": Dieser künstlich verformte Schädel aus dem Erding des frühen Mittelalters ist eines der Exponate der Sonderausstellung.

"Exotische Dame": Dieser künstlich verformte Schädel aus dem Erding des frühen Mittelalters ist eines der Exponate der Sonderausstellung.

(Foto: Renate Schmidt)

Sie zeigt im ersten Stockwerk des Museums Gräber von sechs Kriegern und Damen. Die Menschen wurden einst mit ihrem teuersten Hab und Gut und bekleidet beerdigt, deshalb lassen sich aus den Grabfunden die Lebensumstände und gesellschaftliche Zusammenhänge erschließen. So fanden Archäologen im Grab einer Verstorbenen eine Armbrustfibel, die in Norddeutschland hergestellt wurde. Anthropologen erkannten an den Knochenresten, dass sie sich von Meeresfisch ernährte. Der Schluss: Die Frau soll Ende des 5. Jahrhunderts von der Ostsee nach Bayern gekommen sein.

"Dieses Gräberfeld führt hinaus in die große, weite Welt", sagte der Landeskonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Professor Sebastian Sommer. Denn die Ausstellung zeigt nicht nur die Vorfahren der Bayern, sie trägt zur europäischen Geschichtsschreibung bei. Anthropologen wiesen mit der Untersuchung des Erbguts an Knochen und Zähnen zweier Skelette das Auftreten der Justitianischen Pest in den 540er Jahren in Bayern nach. Das entsprechende Doppelgrab ist in einer Sondervitrine ausgestellt. Ein "sensationelles" Ergebnis, findet Professor Bernd Päffgen vom Institut für vor- und frühgeschichtliche und provinzialrömische Archäologie der Universität München: Der Fund beweise die weit entwickelte Infrastruktur zwischen Konstantinopel, wo täglich wohl 10 000 Menschen an der Beulenpest starben, und Altbayern, die den Transport des Virus innerhalb weniger Monate ermöglichte. "In ganz Istanbul" - dem damaligen Konstantinopel - "gibt es keinen solchen Fund", sagte Päffgen. Eine Doktorarbeit im Rahmen des 2013 vom Stadtrat initiierten Forschungsprojekts "Erding im ersten Jahrtausend" beschäftigt sich mit dem Pestnachweis. Ergebnisse dieser und weiterer Arbeiten werden am Freitag beim Archäologischen Sommer-Symposium im Museum Erding vorgestellt. Dann soll auch Professor Walter Sage kommen, der 85-Jährige leitete einst die ersten Ausgrabungen.

Pestnachweis und Grabmanipulation

Auch 50 Jahre nach der Entdeckung der Gräber in Klettham liefert die Wissenschaft neue Erkenntnisse. Darum geht es beim 2. Archäologischen Sommer-Symposium im Museum Erding am kommenden Freitag, 10. Juli. Das Thema: "Erding im ersten Jahrtausend - Neues aus dem altbekannten Reihengräberfeld von Altenerding/Klettham".

Die Veranstaltung beginnt mit der Begrüßung um 14 Uhr, zu der Ausgräber Professor Walter Sage erwartet wird. Professor Bernd Päffgen von der LMU München stellt um 14.40 Uhr das Projekt "Erding im ersten Jahrtausend" vor. Die Stadt bietet mit ihrem archäologischen Fundus einmalige Perspektiven für die Erforschung der frühmittelalterlichen Geschichte Bayerns.

In zwei Vortragsblöcken präsentieren danach Studierende und Wissenschaftler die Ergebnisse ihrer Arbeit. Besonders den Vortrag des Diplom-Biologen Andreas Rott, hob Päffgen am Montag hervor: Rott referiert um 15.15 Uhr über den Nachweis von Pestbakterien in der DNA an Knochen und Zähnen, der bei der Betrachtung einer Doppelbestattung erbracht wurde. Außerdem spricht Brigitte Haas-Gebhard über Kindergräber im Reihengräberfeld.

Im zweiten Vortragsblock um 16.15 Uhr geht es unter anderem um die Auswertung des Gräberfelds mit Datenbank, Grabmanipulation und Sonderbestattungen in Bauchlage. Um 18 Uhr führt Museumsleiter Harald Krause durch die Ausstellung. FSE

An die Zeit, als alles begann, erinnerte am Montag ein schwarzes Wählscheibentelefon, das auf der Bühne vor jeder Rede klingelte. So ein Telefon hatte vor 50 Jahren auch auf dem Schreibtisch des Stadtchronisten Eugen Press geklingelt, der daraufhin nach Klettham eilte und die Ausgrabungen veranlasste. Am Telefon hatte sich Else Schöberl gemeldet: Ihr Sohn Thomas hatte im Garten Schädel und ein rostiges Langschwert versteckt.

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