Erding:Unzufrieden mit dem Freihandel

Lesezeit: 2 min

Einen Zusammenhang zwischen TTIP und künftiger Flüchtlingsbewegungen sieht Maria Noichl. (Foto: Jøergensen)

Die EU-Parlamentarierin Maria Noichl zu Besuch bei der Erdinger SPD

Von Melanie Schwarzbauer, Erding

In dem Freiheitshandelsabkommen TTIP sieht die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl eine Gefahr, die zu weiteren Flüchtlingskrisen führen könnte. Noichl sprach bei der Erdinger SPD nicht nur über TTIP, sondern auch über die aktuelle Flüchtlingskrise und forderte, die Flüchtlingsursachen zu bekämpfen. Anders werde es keine langfristige Lösung geben. Sie äußerte scharfe Kritik am transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Unter den Besuchern fanden sich aber auch Befürworter des Abkommens.

TTIP könne enorme Auswirkungen auf die zweite und dritte Welt haben, sagte Noichl. Die EU-Kommissare kommunizierten nur spärlich mit den EU-Abgeordneten, aber auch die Länder sind sich uneinig, was ein weiteres Problem darstelle, wie sie sagte. "Der ärmere Teil Spaniens beispielsweise hofft, dass TTIP das Abkommen der spanischen Wirtschaft gut tut und ein Mittel gegen die hohe Arbeitslosenrate unter Jugendlichen ist", sagt Noichl. Sie sieht aber nicht nur ein Problem in der Paketabstimmung im Europaparlament, die sie während des Abends ausführlich erläuterte, sondern auch in den unterschiedlichen Auffassungen der Vertragspartner.

"Wird in den USA ein Huhn in Chlor eingelegt, ist es nach ihren Richtlinien keimfrei und hochwertige Ware. Für uns bedeutet Qualität, dass das Tier artgerecht gehalten wurde und das Fleisch nicht mit Antibiotikum versehen ist", sagt Noichl. Ein "Fair-Handels-Vetrauens-Umwelt-Schutz-Abkommen" wäre laut Noichl eine treffendere Variante des Abkommens und könnte für mehr Gleichstellung sorgen.

Das Handelsabkommen Ceta, das laut Noichl in etwa drei Jahren in Kraft treten wird, ist ihres Erachtens aber noch weitaus gefährlicher, da es im Bezug auf Firmenrechte rückständiger sei und Firmen dann problemlos Dependancen in Kanada eröffnen könnten. "Die Schiedsgerichte in Ceta sind noch geheimer und haben mehr Rechte. Da könnte ja bald jeder einen Briefkasten in Kanada haben", sagt Noichl. Die Besucher der SPD-Veranstaltung reagieren konsterniert über diese Aussage. Aber nicht nur Beschlüsse in Ceta sind in Noichls Augen veraltet, auch für die Asylpolitik müsse ihrer Meinung nach Lösungen gefunden werden.

"Es werden Einwanderungsgesetze benötigt. Ich sehe eine gemeinsame EU- Politik als Notwendigkeit, um den Zuwachs an Flüchtlingen stemmen zu können", sagt Noichl. Sie wünsche sich größere Anlaufstellen in den Staaten, in den Flüchtlinge ihren Antrag stellen könnten, ohne die gefährliche Flucht auf sich nehmen zu müssen. Bei dieser Aussage waren sich alle Anwesenden einig. Noichl forderte außerdem, dass nicht-europäische Länder wie der Libanon, Jordanien und die Türkei besser unterstützt werden. "Viele Flüchtlinge wollen gar nicht bis nach Europa reisen, sondern lieber in der Nähe ihres Heimatlandes bleiben und dort die Zeit des Krieges ausstehen," sagt sie. Aber auch in Deutschland liege vieles im Argen. Ressourcen von THW und andere Organisationen würden nicht genutzt werden, sagte Noichl. Sie würden nicht angefordert werden, weil viele Politiker die Situation lieber eskalieren lassen würden, um daraus politisch Profit schlagen zu können. Eine langfristige Lösung gebe es nur, wenn die Flüchtlingsursachen nachhaltig bekämpft würden und die Konfliktparteien im Mittleren Osten verhandelten.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: