Erding:Unangemessene Horrorszenarien

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Seit 1. Januar dürfen Bulgaren und Rumänen ohne Hindernisse in der EU einen Job annehmen. Einen Massenansturm nach Erding erwarten allerdings weder Arbeitsagentur noch Hilfsorganisationen

Birgit Goormann-Prugger und Mathias Weber

Seit Jahresbeginn gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU auch für Menschen aus Bulgarien und Rumänien. Im Unterschied zu früher müssen sie nun nicht erst eigens eine Arbeitserlaubnis bei der Arbeitsagentur beantragen, wenn sie eine Beschäftigung aufnehmen wollen, sondern können sich diese selbst suchen und sie dann auch sofort annehmen. Finden sie selbst keine Arbeit, können sie sich auch sofort bei der Agentur als arbeitssuchend melden - ein kleiner, aber feiner Unterschied zu früher.

Die CSU befürchtet nun, dass die Migranten aus Südosteuropa gezielt nach Deutschland einreisen, um das Sozialsystem auszunutzen. Entwarnung gibt allerdings die Arbeitsagentur in Freising, die auch für Erding zuständig ist. Dort erwartet man nach Auskunft von Sprecherin Christine Schöps derzeit nicht "den großen Run" von Arbeitssuchenden aus Rumänien und Bulgarien auf den hiesigen Arbeitsmarkt. Aktuell seien in Erding acht Bürger aus Rumänien und acht Bürger mit bulgarischer Staatsangehörigkeit arbeitslos gemeldet. "Da ist alles dabei, Leute, die einen Helferjob suchen und auch solche mit Hochschulabschluss", sagt Schöps. Grundsätzlich werde in der Region qualifiziertes Personal dringend gesucht. "Da ist es egal, ob derjenige aus Deutschland kommt oder Ausländer ist. Schwierig werde es allerdings für Arbeitssuchende ohne Qualifikation. "Auch das gilt für Deutsche und Bürger aus dem Ausland gleichermaßen." Wichtig seien deutsche Sprachkenntnisse. "In der Weiterbildung, auch mit berufspraktischen Deutschkursen für Migranten, sehen wir in diesem Jahr auch eine unserer Aufgaben", erklärt Christine Schöps weiter. Aber dafür müsse man zunächst wissen, wie hoch der Bedarf sei. "Das ist derzeit nicht absehbar".

Traditionell ziehe es ausländische Arbeitsmigranten zunächst in die Großstädte. Entweder, weil man sich dort bessere Arbeitschancen erwarte oder weil schon Familienmitglieder dort leben würden. Schwierig könne es für rumänische und bulgarische Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich werden, wenn sie in der Region eine Wohnung suchen würden. "Die Lebenshaltungskosten sind hier einfach sehr hoch", sagt Christine Schöps.

Nicht nur die Arbeitsagentur beobachtet die Lage der Migranten aus Bulgarien und Rumänien. Auch die katholische Hilfsorganisation Renovabis auf dem Freisinger Domberg kümmert sich um die Lebensbedingungen der Menschen in Osteuropa kümmert

Für völlig unangemessen hält man bei Renovabis Horrorszenarien von Hunderttausenden Menschen, die jetzt nach der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Rumänien und Bulgarien den Arbeitsmarkt in der Region überschwemmen würden. Es werde natürlich eine von niemandem exakt voraussagbare zunehmende Arbeitsmigration geben, sagt dazu Renovabis-Geschäftsführer Burkhard Haneke. Aber die habe es auch in den 25 Jahren nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" immer gegeben. "Und man kann wirklich nicht sagen, dass diese Zuwanderung von Arbeitskräften aus Osteuropa uns wirklich geschadet hat", so Haneke weiter. Als im Mai 2011 die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Polen und Tschechen gekommen sei, sei auch vor einem Massenansturm gewarnt worden. "Wie sich herausstellte, waren das absolut übertriebene Befürchtungen". Die rumänischen und bulgarischen EU-Bürger, die bisher schon auf der Suche nach Arbeit nach Deutschland gekommen seien, hätten Einiges auf sich genommen, wenn sie ihre Heimat und ihre Familien verlassen, erklärt Haneke weiter. "Viele von ihnen haben das auch getan, weil sie trotz guter Ausbildung in ihrem Land keine adäquate Beschäftigung gefunden haben und unterstützen ihre Familien nun finanziell von hier aus und verbessern so deren prekäre Lebenssituation." Teilweise verrichteten sie auch Tätigkeiten, für die sich kaum deutsche Arbeitskräfte finden lassen würden, wenn man nur an den immens steigenden Bedarf im Pflegebereich denke.

© SZ vom 04.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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