Erding:Überraschung im Boden

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Vielen ist es gar nicht bewusst: Wer in Erding ein Haus bauen will, muss mit archäologischen Funden rechnen. Eine Untersuchung ist nicht billig

Von Regina Bluhme, Erding

Auf die Rechnung eines archäologischen Büros reagierte kürzlich der Verwaltungsrat des Oberdinger Kommunalunternehmens Gemo-Bau ziemlich sauer. Geschätzte 40 000 Euro brutto fallen im Rahmen des Nahwärmeausbaus für Schwaig an Grabungskosten an, erfuhren die Räte. Die Summe sorgte für Kopfschütteln.

Wer im Landkreis Erding bauen will, der sollte wissen: Unter dem Grundstück schlummern höchstwahrscheinlich jahrtausendalte Artefakte. Das Bayerische Landesamt für Denkpflege (BLfD) hat einen Atlas ins Internet gestellt, der bayernweit alle Bodendenkmäler als rote Rechtecke auflistet. An manchen Stellen bilden die Rechtecke in der Erdinger Region ein durchgängiges rotes Band. Archäologische Grabungsfirmen haben deswegen im Landkreis gut zu tun; jahrtausendealte Keramik, Armreifen, Gräber und Wohnanlagen kamen im Zuge des Baubooms schon zu Tage.

Bezahlen müssen die Arbeiten die jeweiligen Bauherren. Das kann ganz schön ins Geld gehen: Öffentliche Fördermittel für die Grabungen gibt es bisher nicht, doch für Härtefälle soll es künftig eine Unterstützung geben. Die Sache hat nur einen Haken: Je mehr über die Existenz von Bodendenkmälern in der Region bekannt ist, desto weniger Geld wird gezahlt. Im Landkreis Erding hat man also denkbar schlechte Karten.

Der Landkreis war schon immer ein begehrtes Siedlungsgebiet, denn hier verläuft "ein zu allen Zeiten wichtiger Verkehrsweg", berichtet Generalkonservator Mathias Pfeil. Diese Nord-Süd-Verbindung weise von der Steinzeit bis ins frühe Mittelalter eine intensive Besiedlung auf. Der "Korridor" sei zwar schmal, aber dort sei die Funddichte tatsächlich besonders hoch.

Archäologische Funde werden auch im Museum Erding ausgestellt, im Bild keltischer Schmuck. (Foto: Renate Schmidt)

Jetzt schlummern die zahlreichen Zeitzeugen im Boden - in einem Landkreis, der ständig wächst, in dem dringend Wohnraum geschaffen werden muss und zahlreiche Straßenprojekte geplant sind. Laut Bayerischem Denkmalschutzgesetz muss ein Bauherr immer dort, wo bereits ein Bodendenkmal bekannt oder zu vermuten ist, eine sogenannte denkmalschutzrechtliche Erlaubnis bei der Unteren Denkmalschutzbehörde beantragen, in dem Fall beim Landratsamt Erding.

Den Auftrag für die Grabungen erteile dann offiziell der jeweilige Bauherr, zum Beispiel Kommunen, Bauunternehmen oder Privatleute, sagt Pfeil. Weil der Eingriff in den Boden zugleich die Zerstörung des Denkmals bedeute, müssten die Bauherren auch die Kosten für die notwendigen archäologischen Ausgrabungen übernehmen.

Bislang gibt es keine Fördermittel für Grabungskosten. Ziel der Denkmalpflege sei schließlich "die Erhaltung des Denkmals im Boden", so Pfeil. Das Landesamt haben aber mit dem Bayerischen Kultusministerium nun "erweiterte finanzielle Möglichkeiten entwickelt": Unter bestimmten Voraussetzungen könnte also künftig Geld für Grabungen fließen. Die Finanzspritze solle zum Beispiel dem privaten Bauherrn zukommen, "wenn ihm nicht mehr zugemutet werden kann, diese Kosten alleine zu tragen", so das Landesamt.

Es gibt noch eine weitere Einschränkung: "Eine finanzielle Unterstützung fällt umso geringer aus, je höher das mögliche Wissen über das Vorhandensein von Bodendenkmälern ist", sagt Pfeil. Im Denkmalatlas könne sich jeder Bauherr ganz leicht im Internet einen Überblick verschaffen. In einer "ausgewiesenen Bodendenkmalfläche" sei die Unterstützung geringer, "als wenn ein Bauherr zufällig einen Fund macht", so Pfeil.

"Der Ruf nach Fördermöglichkeiten wird immer lauter", weiß auch Harald Krause, Vorstand des Archäologischen Vereins Erding. Für Privatleute könnten immerhin Kosten bis zur "Höhe einer Einbauküche" zusammen kommen. Wer dieses Geld nicht von vornherein mit eingeplant habe, "für den ist das bitter", sagt Stefan Biermeier vom Münchner Grabungsbüro SingulArchein. Aber die Grabungskosten seien sicher nicht der größte Posten bei einer Baumaßnahme. Die archäologischen Untersuchungen seien gesetzlich vorgesehen, "wie Brandschutzauflagen auch", sagt Ulrich Schlitzer vom Grabungsbüro PlanAteam.

Das Landesamt für Denkmalpflege sagt, dass es zur Unterstützung immerhin kostenlos Fachpersonal zur Verfügung stelle. In Erding packt auch der Archäologische Verein mit seinen Ehrenamtlichen mit an. Archäologe Schlitzer ist "froh über jedes Stück, das gerettet werden kann". Und doch: Wenn es aufgrund der vielen Baumaßnahmen im Landkreis nicht so viel zu bergen gäbe, würde er am liebsten alle Stücke in der Erde lassen. "Denn der Boden ist das beste Archiv."

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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