Erding:Sterben - wann jeder für sich es will?

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Der Hospizverein Erding diskutiert das brisante Thema mit Bundestagsabgeordneten, Ärzten und Kirchenvertretern

Von Regina Bluhme, Erding

Wie kann ein todkranker Mensch in Würde und ohne Schmerzen aus dem Leben scheiden - darf man ihn beim Sterben unterstützen, was bedeutet eigentlich Sterbehilfe und wie weit darf man laut Gesetz gehen? Diese Fragen erörtert der Hospizverein Erding am Donnerstag, 25. Juni, auf einer Podiumsdiskussion mit Bundestagsabgeordneten, Ärzten und Kirchenvertretern. Es ist sein Beitrag zur Bundestagsdebatte um den Gesetzesentwurf zum sogenannten "Assistierten Suizid". Mittlerweile hat das gesamte Thema Sterbehilfe durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zusätzliche Brisanz erhalten.

Das Schicksal des 38-jährigen Vincent Lambert ging um die Welt. Der Franzose lag seit einem Motorradunfall im Jahr 2008 im Wachkoma. Eine Magensonde hielt ihn am Leben. Die Ehefrau wollte die Apparate abschalten, seine Eltern waren dagegen. Der Europäische Gerichtshof hat nun entschieden, dass die künstliche Ernährung beendet werden darf. Sein Fall hatte die Familie entzweit. Eine Patientenverfügung lag nicht vor. Das entsprechende Schriftstück hätte diesen Konflikt vermieden, ist sich Johannes Schollen, 1. Vorsitzender des Erdinger Hospizvereins, sicher. Der Verein will mit der Veranstaltung auch für Patientenverfügungen werben.

Zur Arbeit des Palliativteams gehört es, Menschen zu begleiten und ihnen Ängste zu nehmen. (Foto: Claus Schunk)

Bei der Podiumsdiskussion sollen vor allem diejenigen Menschen im Mittelpunkt stehen, "die unheilbar krank, aber noch nicht unmittelbar sterbend sind", betont Schollen Als Beispiele nennt er Patienten mit einer fortscheitenden Muskelerkrankung oder mit einem Krebs, der Nasen- und Mundregion zerfresse. "Diese Menschen wollen ihren Willen bei vollen Bewusstsein beachtet wissen und sterben, wann jeder für sich es will". Noch immer herrsche beim Thema Sterbehilfe eine große Unsicherheit bei Patienten, Angehörigen und Ärzten. Gesetzlich erlaubt ist die sogenannte "Passive Sterbehilfe" oder besser formuliert als "Sterben zulassen". Dabei wird zum Beispiel die Ernährungspumpe oder das Beatmungsgerät abgeschaltet.

Vom Gesetz her erlaubt ist auch die "Indirekte Sterbehilfe", die "lindernde Behandlung am Lebensende". Dabei darf durch lindernde Medikamente eine Verkürzung der Lebenszeit in Kauf genommen werden.

Dann gibt es noch den "Assistierten Suizid" oder die "Beihilfe zur Selbsttötung". Hier wird - meist von einem Arzt - ein Medikament in tödlicher Dosis bereitgestellt, das der Patient in Eigenverantwortung selber einnimmt. Dieser Weg ist in Deutschland nicht verboten. Die sogenannte "Aktive Sterbehilfe", die "Tötung auf Verlangen", bei der dem Patienten eine tödliche Dosis verabreicht wird, bleibt in Deutschland verboten, da sind sich alle Parteien einig. Sie ist nur in den Niederlanden und in Belgien legal.

Es gibt Sterbehilfeorganisationen in Deutschland, die den "Assistierten Suizid" erleichtern wollen. Sie werden von einigen Politikern und Ärzten misstrauisch beäugt. Die einen fordern im Bundestag ein neues Gesetz zur Verschärfung mit Verbot dieser Organisationen, die anderen wollen eine weitere Liberalisierung, wieder andere favorisieren den Status Quo. Auch bei der Podiumsdiskussion in Erding dürften unterschiedliche Ansichten aufeinanderprallen.

Mit der Veranstaltung will der Hospizverein einen Beitrag zur Klärung der verschiedenen Begriffe leisten. Die Assistenz zum Suizid bei einem unheilbar Kranken ist aber keine Aufgabe des Hospizvereins oder des Palliativteams Erding, betont Johannes Schollen. "Wir stehen den Menschen jedoch beratend zur Seite". Er hofft, dass die Veranstaltung viele Menschen dazu bringen wird, eine Patientenverfügung zu verfassen.

Die Veranstaltung beginnt am Donnerstag, 25. Juni, um 19 Uhr im Pfarrsaal von St. Vinzenz, Vinzenzstraße 5, in Erding. Auf dem Podium sitzen: Pfarrer Daniel Tenberg von der evangelischen Kirche, Pfarrer Franz Gasteiger von der katholischen Kirche, Jürgen Bickhardt, Kardiologe und Experte für Patientenverfügungen, Marcus Schlemmer, Chefarzt der Palliativabteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder München, die Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz, Ewald Schurer und Emmi Zeulner, Berichterstatterin für Hospiz- und Palliativversorgung im Bundestag.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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