Erding:Sprechende Schildkröte

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Die 9. und 10. Technikklassen der Mädchenrealschule Heilig Blut stellen ihre Projekte vor: ambitionierte Anlagen und Automaten, die sehr viel Sachverstand offenbaren

Thomas Daller

Kassiopeia ist die Schildkröte des weisen Meisters Hora in Michael Endes Roman "Momo". Sie drückt sich durch Schrift aus, die auf ihrem Rücken erscheint; ein Display sozusagen. Darin erkannten die Mädchen der Realschule Heilig Blut eine Ähnlichkeit mit ihrem "selbsterklärenden Automat" und nannten ihn "Kassiopeia". Zusammen mit einem weiteren Technikprojekt, einer Überwachungsanlage für Fenster und Türen, stellten die 9a und die 10a am Freitag ihre ausgetüftelten Steuerungsanlagen vor. Ein verblüffender Beleg, wie ausgeprägt der Sachverstand in Physik und IT der 9. und 10. Klassen bei vielen Schülerinnen ist.

Über eine geballte Ladung technisches Wissen verfügen die Schülerinnen der Mädchenrealschule Heilig Blut, die am Technik-Projekt teilnehmen (Foto: N/A)

Schulleiter Josef Grundner juxte angesichts der Schaltpläne, in seinen Augen sehe das aus wie die Straßenkarte von Tokio. Doch was die Mädchen aus Speicherchips, Sensoren und Prozessoren gebaut hatten, lief fehlerlos, ohne Staus und Unfälle. Die Klasse 9a hatte zusammen mit ihrem Physik- und IT-Lehrer Michael Käsbauer eine Überwachungsanlage konstruiert, wie sie als Alarmanlage gegen Einbrecher eingesetzt wird. Für das Modell hatten sie eine Tür- und Fensterfront aus Legosteinen gewählt.

Daran waren Schalter einer Computermaus und Magneten angebracht, die eine Sirene auslösten. Der Alarm lässt sich auch durch das Schließen der Fenster oder Tür nicht wieder abstellen. Das war der einfache Teil. Der Bau der Platine für die Steuerung war weitaus komplexer. Die Klasse entwarf am Computer die Vorlage für die logischen Schaltungen, übertrug den Plan auf eine lichtempfindliche Folie und belichtete damit eine kupferbeschichtete Leiterplatte. Mit Natronlauge wurden die Leitungen eingeätzt, Bohrungen angebracht und schließlich die Bauteile montiert. Die einzelnen Arbeitsschritte dokumentierten sie mit Fotos und erstellten dazu auch noch eine professionelle Power-Point-Präsentation, die sich sehen ließ.

Die jungen Damen der 10a haben ihren Abschlussprüfungen schon hinter sich und genießen ihre freie Zeit. Dennoch waren sie nahezu komplett zu ihrer Präsentation erschienen, um ihre "Kassiopeia" vorzustellen. Die "Schildkröte" funktioniert ähnlich wie die Automaten, die in Museen die Exponate erklären. Wobei Kassiopeia ihr eigenes Kernstück, den Mikroprozessor erklärt und seine Steuerungsmöglichkeiten veranschaulicht: ein selbst erklärender Automat. Die Idee an sich ist schon pfiffig, die Ausführung war jedoch so ambitioniert geplant, dass zwei Jahrgänge nötig waren, um Kassiopeia ins Leben zu rufen.

Bereits die 10. Klasse des Vorjahres hatte Gedanken über das Projekt und Bauteile entwickelt, doch erst der Abschlussklasse 10a dieses Jahres gelang die Fertigstellung. Das wundert nicht, steckt doch in dem Schildkrötenpanzer ein komplexes Programm, das die Schülerinnen auch noch selbst geschrieben haben. Es gibt Audiodateien mit Sprechtexten, wofür die Sprecherinnen eigens gecastet wurden, einen von der Gruppe selbst gebauten Infrarotsensor, gesteuerte Bewegungsabläufe unterhalb der transparenten Deckplatte, ein eingebautes Display, das einen durch das Programm leitet und die aktuelle Spannung anzeigt sowie noch etliches mehr.

Es gab viel Beifall bei beiden Präsentationen und den hatten sich die beiden Technikklassen auch redlich verdient. Und sollte noch einmal irgendwer den Quatsch behaupten, Mädchen hätten kein Händchen für Technik, so sei ihm eine Begegnung mit Kassiopeia empfohlen. Der Automat ist in der Mädchenrealschule Heilig Blut zu finden, wo er ausgestellt werden soll.

© SZ vom 21.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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