Erding:Sorgsamer klicken

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Die Berufsschule Erding veranstaltet eine Projektwoche gegen Cybermobbing - auch ein Internet-Polizist ist dabei

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

Die Berufsschule Erding will ihre Schüler für das Thema Mobbing im Internet sensibilisieren. Am Montag eröffneten Schulleiter Dieter Link und die verantwortlichen Sozialpädagoginnen der Brücke Erding, Nina Milbradt und Anja Lauer, dazu die Projektwoche "Eine (cyber)mobbingfreie Schule". Bis Freitag hängen in der Schulstraße Plakate aus, auf denen die Jugendlichen der 10. Jahrgangsstufe die Ergebnisse ihrer Projektarbeiten präsentieren: Während des laufenden Schuljahres hatten sich die jungen Erwachsenen sechs Unterrichtsstunden lang mit den Ursachen von Cybermobbing, den persönlichen Folgen für Täter und Opfer sowie den rechtlichen Konsequenzen beschäftigt. Link kündigte an, dass die Initiative künftig jedes Jahr stattfinden soll.

"Jeder trägt freiwillig das größte Spionagegerät der Welt mit sich: sein Handy", sagte Cem Karakaya. Der Sachbearbeiter für Internetkriminalität beim Polizeipräsidium München hielt zum Auftakt einen Vortrag über Gefahren beim Umgang mit neuen Medien und in sozialen Netzwerken. Sein Anliegen: den Blick der Jugendlichen schärfen. "Ich will Smartphones, Facebook und Co. nicht verteufeln. Der Mensch ist gefährlich, nicht die Technik." Ein offene Tür für Hacker und Firmen sei der sorglose Umgang mit Passwörtern. Häufig verwendeten Nutzer die gleiche Kombination für verschiedene Dienste. "Ich brauche höchstens elf Sekunden, um eine beliebige vierstellige PIN zu knacken", sagte Karakaya. Man müsse sich bewusst sein, dass sämtliche Daten auf Servern - meistens in den USA - gespeichert, ausgewertet und verkauft würden und leicht zugänglich seien. Er forderte auf, E-Mails zu verschlüsseln und in sozialen Netzwerken auf echte Namen und Geburtstage zu verzichten.

Karakaya wies auf Hintergrundaktivitäten von kostenlosen Spielen, Kommunikationsdiensten wie "WhatsApp" und Anwendungen für Musikerkennung hin. Diese könnten den Standort des Benutzers ermitteln, seine Gespräche mithören und sogar auf Bankdaten zugreifen, wenn diese einmal über das Smartphone eingegeben wurden. Bei der Installation stimme man dem zu. "Lest die Seiten aufmerksamer und klickt nicht zu schnell auf irgendeinen Button." Der ehemalige Interpol-Agent riet den Schülern sich zwei Fragen zu stellen, bevor sie einen Schnappschuss von sich machen und ins Netz laden würden: "Muss das sein? Werde ich es eventuell in ein paar Tagen bereuen?" Nicht nur potenzielle Arbeitgeber, sondern auch Werbeunternehmen und Anwaltskanzleien verfolgten die digitale Aktivitäten. Brisant könne es zudem beim so genannten Sexting werden, da diese Fotos mit (halb)nacktem Körper einerseits nicht nach wenigen Sekunden gelöscht würden, wie es ein Anbieter verspricht, und man sie andererseits als Druckmittel für Cybermobbing verwenden könne. Er erinnerte an den Fall der fünfzehnjährigen Kanadierin Amanda Todd, die nach einer solchen Erpressung 2012 Suizid begangen hatte.

Wie viele unwiderrufliche Spuren im Netz entstehen, illustrierte Karakaya am Beispiel eines nach drei Jahren stillgelegten Facebook-Accounts: Das Unternehmen hatte über einen Nutzer 1200 Seiten Informationen gesammelt. "Versteht eure Angaben als einen Schatz, den ihr nicht leichtfertig verkaufen wollt." Jugendlichen Opfern von Cybermobbing empfiehlt der Polizist, unbedingt Screenshots von entsprechenden Chat-Fenstern zu machen, die "Petz-Funktion" an die Betreiber zu verwenden und unter Umständen Anzeige zu erstatten. An diesem Mittwoch und Donnerstag wird die Jugendbeamtin der Polizei Erding, Sigrid Röske, den Schülern ihre Arbeit vorstellen.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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