Erding:Passanten als Zielscheibe

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Betrunkene werfen aus Schwesternwohnheim mit Böllern und beschädigen Auto - Verfahren gegen Geldbuße eingestellt

Thomas Daller

Die Gaudi der Besoffenen im vierten Stock des Schwesternwohnheims konnte der 25-jährige Zeuge nicht teilen: "Ich habe auf meine Freundin gewartet und da flogen plötzlich Böller herunter. Ich habe gerufen, sie sollen aufhören, ich habe einen kleinen Hund dabei." Als der nächste Kracher noch näher detonierte, sprang er mit dem verängstigen Tier in sein Auto. Der übernächste Böller traf den Wagen und richtete 500 Euro Schaden an. Einer der mutmaßlichen Täter musste sich nun vor dem Amtsgericht Erding verantworten.

Der gefährliche Unfug, der mit einer Sachbeschädigung endete, geschah am 30. Dezember vergangenen Jahres, einen Tag vor Silvester. Eine Clique hatte zu fünft in der Ein-Zimmer-Wohnung im vierten Stock gefeiert und zusammen mehrere Flaschen Wodka geleert. Gegen 21.45 Uhr flogen die Böller aus dem Fenster, kurz darauf kam die Polizei. Zwei der anwesenden Burschen gaben unumwunden zu, dass sie Böller geworfen hatten. Allerdings machte einer davon bei der späteren polizeilichen Vernehmung einen Rückzieher: "Ich sag gar nichts. Das ist doch Kindergarten, ich war betrunken", zitierte eine Polizistin, die ihn vernommen hatte, seine Aussage vor Gericht. Seine erste Aussage noch in der Wohnung war juristisch nicht verwertbar, weil er tatsächlich betrunken war und nicht über seine Rechte belehrt wurde.

Ohnehin war die Erinnerung des Angeklagten an den fraglichen Tag etwas lückenhaft. Auf eine entsprechende Frage von Richter Wassermann wusste er weder, wie viel er getrunken hatte, noch wann er zu trinken begonnen hatte: "War es bereits Mittag?" "Möglich." "Oder schon am Vormittag?" "Nein, da schlafe ich noch." Es habe auch keinen besonderen Anlass für das Besäufnis gegeben: "Wir haben einfach mal so gefeiert."

Juristisch stand die Anklage auf wackeligen Beinen, weil der zweite junge Mann, der die Tat ebenfalls zugegeben hatte, genauso gut alleine die Böller geworfen haben könnte. Und der Geschädigte konnte vom Parkplatz aus nicht erkennen, wer oder wie viele die Knallkörper geworfen haben. Der eine war bereits rechtskräftig zu 15 Tagessätzen á 30 Euro verurteilt worden; der Angeklagte hätte 20 Tagessätze á 30 Euro zahlen müssen und hatte dagegen Einspruch eingelegt. Warum die Staatsanwaltschaft beim selben Tatvorwurf zweierlei Maß angelegt hatte, war auch Richter Wassermann ein Rätsel: Unterschiedliche Tagessatzhöhen seien verdienstabhängig, aber warum einmal auf 15 und einmal auf 20 Tagessätze entschieden worden sei, könne er auch nicht erklären.

Richter Wassermann bot dem Angeklagten schließlich an, das Verfahren gegen eine Geldbuße an eine gemeinnützige Vereinigung einzustellen. Der nahm das Angebot zum Anlass, die Tat herunterzuspielen: Man habe ja nur einen Tag zu früh die Böller verwendet, an Silvester wäre es ja in Ordnung gewesen. "Sie sind ja lustig", klärte Wassermann das Missverständnis auf: "Stellen Sie sich vor, da unten sind kleine Kinder und es passiert was. Und damit Sie daran denken, was passieren kann, wenn man mit Böllern schmeißt, zahlen sie 100 Euro an die Christoffel-Blindenmission."

Als die Sitzung beendet war, fügte er noch hinzu: "Der hat bestimmt auch Böller geworfen, sonst hätte er es der Polizei gegenüber nicht zugegeben."

© SZ vom 01.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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